Die Überwachungsparty

Ein Zeitreise-Bericht der Klasse 10a des BIP Kreativitätsgymnasiums Leipzig vom 14. bis 15. Dezember 2021


Wir schreiben das Jahr 2040

Vieles hat sich in relativ kurzer Zeit erschreckend geändert. Eine Partei namens „Frieden für Alle“ (FfA) diktiert allein die Geschicke des Landes. Die wenigen Parteimitglieder*innen gehören zur Finanzelite, die nur etwa 1% der Bevölkerung ausmacht. Diese kleine Oberschicht wohnt in luxuriösen Hightowern in eigenen Vierteln, die Bevölkerungsmehrheit dagegen in trostlosen, eintönigen Wohnhäusern, ja oftmals in Plattenbauten aus dem letzten Jahrhundert.

Die beschriebene Parteidiktatur bedeutet eine weitgehende Gleichschaltung der Gesellschaft. Fast allen geht es annähernd gleich, das heißt gleich schlecht. Die Angleichung der Einkommen auf einem sehr geringen Niveau wurde durch ein Gesetz erreicht, das ein Maximaleinkommen festlegt, sowie durch Maßnahmen der Enteignung von Vermögenden, die nicht der Partei angehören. Dank staatlicher Aufträge und zahlreicher Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Der Großteil der Arbeitstätigen muss jedoch sehr viel und hart arbeiten. Es fehlt an Freizeit, um sich ausreichend zu erholen und wieder für die Arbeit zu motivieren. Der Staat verordnet stattdessen organisierte Partys einmal im Monat oder seltene Kuraufenthalte alle acht Jahre. Angesichts der fehlenden Freizeitaktivitäten, ja überhaupt Freiheiten sowie aufgrund des geringen Lohnniveaus und der entsprechend niedrigen Kaufkraft stagniert die Wirtschaft.

Alle Bürger haben zwar Anspruch auf die gleiche staatliche und kostenlose Gesundheitsversorgung, doch stellt diese nur eine Notversorgung sicher. Mit Krankheiten des Alltags oder chronischen Leiden muss man sich in Spezialkliniken begeben, die für die meisten unerschwinglich sind. Alle profitieren indes von Kernfusionsreaktoren, die dem Staat eine günstige Stromproduktion und den Endverbrauchern eine kostenlose Nutzung ermöglichen. Weiter wurden kaum moderne Technologien umgesetzt, lediglich zur Überwachung unzufriedener, ja kritischer oder gar aufständischer Bürger, deren Zahl infolge der zahlreichen genannten Probleme nicht zu unterschätzen ist. Da das Internet vom Staat durch Nutzerdatenspeicherung und Tracking total überwacht wird, nutzen immer weniger Menschen Kommunikationsgeräte und Soziale Medien. Aber auch im Öffentlichen und zunehmend Privaten Raum findet Überwachung etwa durch Kameras und Wanzen statt. Dies rechtfertigt die Regierung mit dem Versprechen, gegen jegliche Kriminalität vorzugehen und so für die allgemeine Sicherheit zu sorgen. Unnachgiebige Gegner der Diktatur werden in „Besserungszentren“ gebracht, um sie in der Ideologie des Staates zu erziehen oder aber ganz verschwinden zu lassen.

Ferner ist auch die Selbstmordrate seit Jahren nicht eben niedrig. Die meisten unzufriedenen oder verzweifelten Menschen ergeben sich jedoch völlig den Regeln des Systems und flüchten, wann immer sie können, durch den Konsum von Drogen aus der Realität.



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

Auf einer Party:

 Handelnde Personen:  

  • Zwei junge Frauen  
  • Drei junge Männer  

Die Bürger haben aufgrund ihrer umfänglichen und anstrengenden Arbeit sehr wenig Freizeit bzw. Elan für Hobbys und Unternehmungen mit Freunden. Ein Gesetz schreibt jedoch den Arbeitstätigen vor, am letzten Samstag eines jeden Monats in eine staatlich subventionierte und kontrollierte Bar oder Kneipe feiern zu gehen, um die Leute bei Laune zu halten. Es gilt sich bei Musik, Tanz und Alkohol ein wenig zu erholen und die vernachlässigten Kontakte zu pflegen.

Heute ist wieder so ein Samstag. Einige Freunde und Bekannte, die meisten um die 30 Jahre alt, treffen sich in einer kleinen Kneipe im Parterre eines Plattenbaus ihres Wohngebiets. Die Stimmung ist sehr durchwachsen. Alle halten sich an ihrem Getränk fest, es läuft Disco-Musik, aber niemand hat Lust zu tanzen.

1. Frau (aufgeweckt): Hallöchen zusammen! Mensch, einen Monat nicht mehr gesehen…

2. Frau (mies gelaunt): Tach!

1. Mann (müde): Hallo!

2. Mann (nüchtern): Grüßt euch!

3. Mann (um Aufhellung der Stimmung bemüht): Nun, das ist schon schön, dass wir uns wieder hier zum Feiern treffen. Wenn man nur einmal im Monat darf…

2. Frau (ins Wort fallend): Soll! Wir sollen feiern.

1. Mann (zynisch): Ja feiern, obwohl oder weil es uns nicht gut geht! Seit Wochen bin ich kraftlos. Ich hab meine ganze Energie in die Arbeit gesteckt. Und was dann noch vom Leben bleibt, macht einfach keinen Spaß.

2. Mann: Geht mir genauso! Ich kann nicht mehr. Ich muss jeden Tag 12, 13 Stunden schuften. Ich hab nichts mehr zu tun außer arbeiten, essen und schlafen.

1. Frau: Nun ja, ich bin auch körperlich total am Ende. Mir tut alles weh, aber ich kann mir keine Auszeit nehmen. Nur hier mit euch!

2. Frau: Ja, geht mir ebenso!

3. Mann: Aber wie konnte es eigentlich so weit kommen? Früher war’s doch eigentlich besser. Da hatten wir noch wirkliche Freizeit und nun besteht das ganze Leben bloß noch aus Arbeiten und Schlafen.

1. Mann: Das hat – wartet mal, ich frag mal an der Bar, ob die die Musik noch lauter machen können!

Er steht auf und kommt bei sehr lauter Musik wieder zurück. Als er sich setzt, rücken alle am Tisch näher zusammen.

1. Mann: Nun, das hat alles mit den Machthabern zu tun.

2. Mann: Ja, die Regierung ist an allem schuld!

1. Mann (sich kurz nach allen Seiten umblickend): Vielleicht ist es ja endlich an der Zeit, für einen Sturz der Regierung zu sorgen?!

2. Frau (plötzlich mit leuchtenden Augen und laut): Oh ja!

1. Frau: Pssst, nicht so laut!

2. Mann: Ja, wir werden doch komplett überwacht, mit moderner Technik. Das müssen wir uns immer bewusst machen!

1. Mann: Besonders durch das Internet werden wir verfolgt, also können wir uns darüber schon mal nicht verabreden. Wir sollten uns demnächst direkt treffen…

2. Frau: …an irgendeinem abgelegenen Ort, wo uns niemand vermutet und keine technischen, internetfähigen Geräte sind, die uns abhören können.

3. Mann (mit einem Stirnrunzeln): Hmm, mal sehen! Aber geht’s euch soweit gesundheitlich ganz gut?

2. Mann (seufzend): Mein Rücken tut die ganze Zeit weh, weil ich immer so schwer heben muss. Dabei bin ich erst 35.

3. Mann: Und warst du damit mal beim Arzt oder besser in einem Spezialkrankenhaus?

2. Mann (mit einer abwehrenden Geste): Du machst Witze! Das kann ich mir nicht leisten.

1. Mann: Ach, lass uns einfach ein paar Drogen einwerfen!

2. Mann (auf einmal mit Elan): Das ist eine gute Idee! Unser Leben ist einfach zu großer Mist, das fordert jede Ablenkung!

3. Mann: Nun, ich bleib beim Alkohol.

1. Mann (sein Glas hebend): Ein Hoch auf den Alkoholismus! Prost!

Alle stoßen jauchzend an. Einige werfen sich irgendwelche grün glitzernden Pillen in ihr Glas, bevor sie es leeren.