Ein Zeitreise-Bericht der Klasse 10b des BIP Kreativitätsgymnasiums Leipzig vom 16. bis 17. Dezember 2021
Wir schreiben das Jahr 2040
Auf einer ersten Zeitreise konnten wir uns, immer auf sicheren Abstand zu den Leuten bedacht, zumindest einen ersten Eindruck von der Zukunft Deutschlands verschaffen. Zunächst glaubten wir, es habe sich nicht allzu viel verändert. Wir sahen kaum technische Neuerungen im Alltag der Menschen. Doch bei genauerem Hinsehen bemerkten wir, dass sich der Wohlstand noch ungleicher als in unserer Zeit verteilt.
In den meisten Wohngegenden begegneten uns Leute, die einfach oder sogar ärmlich gekleidet waren. Die Geschäfte hatten ein sehr dürftiges Angebot, oft nur mit lebensnotwendigen Waren, die sich bloß mit Bitcoins über Smartphone-ähnliche Geräte oder gegen papierne Schuldscheine bezahlen ließen. Dennoch schienen die meisten (zumindest ihrer Haltung und Mimik nach) nicht unglücklich zu sein.
Uns griff eine Patrouille der Staatspolizei auf, die nach unserem Impfstatus fragte. Uns fiel nichts Besseres ein, als unsere Impfpässe aus dem Jahre 2021 zu zeigen, mit denen wir jedoch nur skeptische Blicke ernteten. Unsicher angesichts dieser Reaktion und überhaupt der gesamten Lage einer womöglich immer noch und vielleicht stärker grassierenden Corona-Pandemie, beschlossen wir das Weite zu suchen.
Im Regierungsviertel trafen wir dagegen auf wohlgepflegte und gut gekleidete Menschen, die wie Manager oder Politiker unserer Zeit aussahen und einer Arbeit in den Regierungsbehörden sowie zentralen Forschungs- und Bildungseinrichtungen nachgingen. In der öffentlich zugänglichen Staatsbibliothek durchforsteten wir hastig einige Geschichtsbücher und lasen von einer Pandemie mit einem völlig neuartigen Virus, das aber dank der Anstrengungen von Wissenschaft und Politik unter Kontrolle sei. Erstaunlicherweise fanden wir nur sehr wenige Forschungsdetails. Deshalb fassten wir den Mut, doch jemanden nach möglichen Hintergründen zu befragen.
In der medizinwissenschaftlichen Abteilung der Bibliothek sprachen wir einen alten, inzwischen zwangsexmatrikulierten Medizinstudenten zwischen Bücherbergen an, der uns höchst Interessantes verriet. Es soll sich um eine Zwei-Klassen-Gesellschaft handeln, genauer um eine Art Expertokratie, in der ein Gremium von Wissenschaftlern mit finanzieller Unterstützung von vermögenden Unternehmern über die Geschicke der Bürger bestimme. Wissenschaftler hätten die Bevölkerung durch speziell im Labor genmanipulierte und dann freigelassene Viren infiziert, um noch intensivere Krankheitszeichen als einst bei den Corona-Infektionen auszulösen, die aber außerordentlich selten tödlich seien. Um nun das lange (seit Corona) verlorene Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen, habe man eine Impfung mit 100-prozentiger Wirksamkeit entwickelt und fast allen verabreicht. Der Student, selbst ungeimpft, nimmt jedoch an, auch wenn ihm noch die Beweise fehlen, dass die Impfung nicht nur auf die künstlich herbeigeführte Krankheit wirke, sondern auch das Zufriedenheitsgefühl der Menschen beeinflusse, wohl um jeden Zweifel am System zu zerstreuen.
Irritiert und zugleich fasziniert von diesen Enthüllungen beschlossen wir, in Kürze eine neue, besser vorbereitete Zeitreise-Mission zu starten. Auf dieser werden wir, nun zumindest um die Ungefährlichkeit der neuen Viruskrankheit wissend, den Kontakt zu wichtigen und mächtigen Personen suchen, um dieser Verschwörung oder womöglich nur Verschwörungstheorie weiter auf den Grund zu gehen.
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: In der Zeitflugmaschine
Eine Zeitmaschine befindet sich auf dem Flug in die Zukunft, mit Ziel Berlin. Die Besatzung besteht aus vier Personen. Das Kommando führt Wilhelm, von seinen Kameraden genannt der Letzte, einst Kapitän auf einer inzwischen verschrotteten Fregatte der Bundesmarine. Mit an Bord sind der Sicherheitsoffizier Jens Maul, Yappie, ein Ingenieur mit japanischen Wurzeln, sowie der Arzt Dr. Jumbo.
Jens Maul (ständig an seiner Uniform zupfend): Käpten, wann sind wir endlich da? Wir fliegen schon eine halbe Ewigkeit und mir ist langweilig.
Wilhelm der Letzte: Laut meinen Berechnungen müssten wir innerhalb der nächsten drei Minuten ankommen. – (seufzend) Es war so klar, dass du wieder fragst! Das ist ultranervig! Immer bist du der Ungeduldigste von allen. Aber egal, wir sind gleich da!
Jens Maul (eifrig): Aber ich habe noch ein paar Fragen! Was machen wir überhaupt dieses Mal in der Zukunft?
Wilhelm d. L.: Ja, als wir mit der ersten Aufklärungsmission da waren, haben wir bereits vielfältige Eindrücke gewonnen und einige Basisfakten erfahren. Jetzt aber ist es unsere Aufgabe, in die Gesellschaft einzutauchen, quasi eine Zeit lang dort zu leben.
Jens Maul (stöhnend): Oh nein! Und teilen wir uns wenigstens auf oder machen wir das alle gemeinsam? Ich hab nämlich keinen Bock (naserümpfend und mit Fingerzeig auf den Ingenieur Yappie, der an einem Pult alle Landeparameter checkt) auf den Kollegen hier!
Wilhelm d. L. (schmunzelnd): Ja, das versteh ich! Wir zwei gehen zusammen in ein Aufklärungsteam.
Jens Maul (salutierend): Jawohl, Käpten! Gute Wahl!
Wilhelm d. L.: Und ihr beiden anderen – Dr. Jumbo, wachen Sie endlich auf! – bildet ein zweites Team.
Dr. Jumbo (sich streckend und gähnend): Äh, was?
Wilhelm d. L.: Ihr erforscht die Welt der einfachen Leute!
Yappie: Aye, Willi-san!
Wilhelm d. L.: Und Jens und ich, wir nehmen das Regierungsviertel mit den Forschungseinrichtungen in Augenschein und reden mit dem Präsidenten.
Jens Maul (strammstehend): Super, ich bin bereit!
Wilhelm d. L.: Yappie, klar zur Landung!
Yappie: Aye, aye!
Die Zeitmaschine landet so sanft auf dem ehemaligen Tempelhofer Flugfeld, dass Dr. Jumbo unterdessen wieder eingeschlafen ist. Yappie stößt ihm in die Seite.
Dr. Jumbo: Äh, sind wir schon da?
Wilhelm d. L.: Ja, fertig machen zum Aussteigen!
Der übereifrige Jens Maul stürmt als Erster von Bord, der Käpten hat Mühe an ihm dranzubleiben. Es folgt Yappie, der den verschlafenen Dr. Jumbo mit sich zieht. Die beiden Teams trennen sich, um verschiedene Stadtteile aufzusuchen.
2. Akt: Im Regierungsviertel
Das erste Team erreicht das Regierungsviertel, wo Jens Maul mit seiner schwarzen Uniform und seinem zackigen Ton Eindruck schindet, so dass er und der Käpten Einlass beim Präsidenten finden. Dieser residiert im Hotel Adlon, weil er das ehemalige Kanzleramt als zu wenig repräsentativ hielt. Er empfängt seine weitgereisten Gäste höchstpersönlich im Foyer des Hotels. Sein maßgeschneiderter Business-Anzug will nicht so recht zu seiner alten Nickelbrille passen.
Präsident (ein Händeschütteln vermeidend): Nun, seien Sie gegrüßt, Käpten Wilhelm!
Wilhelm d. L.: Hallo, Herr Präsident! Freut mich sehr, Sie kennenzulernen!
Präsident: Freut mich auch! Und (auf den Begleiter des Käptens deutend) wer ist er?
Wilhelm d. L.: Das ist Jens, mein Sicherheitsoffizier, der immer was zu nörgeln…
Jens Maul (dazwischenredend): Oh nö, das stimmt nicht!
Wilhelm d. L.: …aber trotzdem mein verlässlichster Sicherheitsexperte ist.
Jens Maul (mit militärischem Gruß): Jens Maul mein Name!
Präsident (etwas verunsichert): Nun, was wollen Sie hier bei uns in der Zukunft?
Wilhelm d. L.: Wir wollen verstehen, wie diese Gesellschaft aufgebaut ist und warum Sie und Ihre Regierung es geschafft haben, auch die vielen Geringverdienenden und Einflusslosen so zufriedenzustellen, dass sie auch Ihre Politik unterstützen.
Präsident (etwas zurückhaltend): Ja gut, dann zeige Ihnen erst mal hier die Abläufe der Regierungsgeschäfte, bevor wir rüber in das Medizinische Forschungszentrum der Universität gehen, wo Ihnen Professor Kröger alles erklärt.
Präsident: Gern, gehen wir!
Jens Maul: Herr Präsident, ich hätte noch eine Frage! Wäre es ok, wenn ich unseren Rundgang mit einer Kamera dokumentiere?
Präsident: Kein Problem! Ja die Forschung fordert Gewissenhaftigkeit!
Jens Maul: Super!
Nach einer ausgiebigen Erkundung im Amtssitz des Präsidenten geht es ins Medizinische Forschungszentrum, wo dieser sich wie zu Hause zu fühlen scheint.
Präsident (euphorisch): So, herzlich willkommen in unserem Forschungszentrum! Darf ich vorstellen, das ist mein ehemaliger, sehr geschätzter Kollege Professor Kröger, einer unserer führenden Mediziner im Lande.
Prof. Kröger (in Anzug und Krawatte, darüber einen weißen Kittel; sich leicht verbeugend): Guten Tag! Was wollen Sie wissen?
Jens Maul (vorpreschend, nachdem er schon neugierig die umstehenden Geräte begutachtet hat): Was für ein Verfahren haben Sie hier entwickelt?
Prof. Kröger: Zum einen haben wir hier (auf einen transparenten Kühlschrank voller zylindrischer Gefäße deutend) mit einer Genschere veränderte Viren, die wir vor Jahren in Umlauf gebracht haben. Diese Viren lösen schwere, aber kaum tödliche Krankheitsverläufe aus.
Wilhelm d. L.: Oh! Und haben Sie auch ein Gegenmittel?
Prof. Kröger (eine Ampulle aus einem Hochsicherheitsschrank holend und diese sichtlich stolz vorzeigend): Ja, hier! Jedoch neben diesem Impfstoff spritzen wir den am Virus erkrankten Menschen auch noch Endorphine.
Wilhelm d. L.: Höchst interessant!
Jens Maul (alles mitfilmend): Und wie oft frischen Sie auf?
Präsident: Alle drei Monate!
Jens Maul: Aber was passiert im Falle einer Überdosis?
Prof. Kröger: Das kann nicht passieren. In den Bauch der Impflinge wird solch ein (ein stecknadelförmiges Ding aus seiner Kitteltasche ziehend) mikrokleiner e-Injektor samt einem Tropfbeutel eingepflanzt, der genug Impfstoff für ein ganzes Leben enthält. Der Injektor reguliert die Auffrischung des Impfstoffs sowie die Ausschüttung des Glückshormons ins Blut. Es können individuelle Einstellungen, auch aus der Ferne über WLAN-Signale vorgenommen werden.
Jens Maul: Wahnsinn! Vielen Dank für die Aufklärung! Käpten, haben Sie noch Fragen?
Wilhelm d. L.: Nein! Herr Professor, wir bedanken uns herzlich für Ihre Zeit und Offenheit!
Prof. Kröger: Gern geschehen!
Präsident: Meine Herren, bevor Sie wieder heimreisen, lade ich Sie noch auf ein Festbankett mit hochrangigen Vertretern aus der Wissenschaft und Wirtschaft ein.
Wilhelm d. L.: Herr Präsident, Sie sind zu nett!
3. Akt: Auf der Straße
Unterdessen erkunden Yappie und Dr. Jumbo ein heruntergekommenes Wohnviertel. Ihnen begegnen einfach, ja manchmal auch schäbig angekleidete Passanten, die jedoch stets lächeln und nicht selten sogar freundlich grüßen. Plötzlich tippt ein junger Polizist Yappi von hinten auf die Schulter.
Polizist (freundlich): Entschuldigung, einen schönen Tag wünsche ich! Mein System meldet, dass Sie noch gar keinen e-Injektor haben!
Yappie: Äh, was, äh nee, haben wir nicht. Wir sind aus der Vergangenheit!
Polizist (mit offenem Mund): Wie?
Dr. Jumbo: Ja, aus dem Jahr 2021.
Polizist (sich unter der Schirmmütze kratzend): Moment, 2021 – war da nicht die Corona-Pandemie?
Yappie: Ja genau!
Polizist: Hmm, was war da damals eigentlich genau los?
Yappie: Ja diese ganze Krise ist schon ganz schön bedrückend. Aber Genaueres kann dir dazu mein Freund Dr. Jumbo erzählen, er ist nämlich Arzt.
Dr. Jumbo: Also in der Zeit, aus welcher wir kommen, müssen alle mit Masken rumlaufen, die Restaurants schließen schon um acht und man kann kaum was machen. Der Ausweg ist eine Impfung gegen Corona, die aber nicht von allen angenommen wird. – Aber wie uns berichtet wurde, hatten Sie auch eine, andere Pandemie, oder?
Polizist: Ja, das Kröger-Virus, benannt nach seinem Entdecker. Einige wenige Leute denken allerdings, diese Pandemie sei nur eine Verschwörung. Aber nein, die ist echt! Den Medizinern und Politikern unseres Landes sei Dank, dass wir mittlerweile eine sehr effektive Impfung haben und wieder ganz normal unserem Alltag nachgehen können. Für diese Impfung muss man nur einmal zum Arzt, denn sie wird automatisch durch einen e-Injektor alle, ich glaube drei Monate aufgefrischt. Und es ist eigentlich meine Hauptaufgabe, das Tragen und Funktionieren dieser Injektoren bei den Bürgern zu kontrollieren. Ich bin stolz auf diesen wichtigen Auftrag!
Yappie: Und wie ist sonst so das Leben hier bei Ihnen?
Polizist: Ja ganz ok! Also mir ist manchmal langweilig, weil ich nicht so viel zu tun habe. Aber sonst ist alles super!
Dr. Jumbo (spitzfindig): Aber sind Sie und die anderen denn glücklich mit Ihrer Situation? Es gibt doch bestimmt Probleme, auf der Arbeit, mit dem lieben Geld und so weiter?!
Polizist: Nein, alle sind ziemlich glücklich! Ja manche haben leichte Nebenwirkungen nach ihrer Auffrischungsimpfung, aber kurze Zeit später geht es ihnen dann ausgezeichnet. (mit leuchtenden Augen) Alles super!
Yappi (in Dr. Jumbos Richtung zwinkernd): Da ist ja super!!!
Dr. Jumbo (Yappie streng anblickend und sich zugleich ein Feixen verkneifend): Ja wir danken ganz herzlich für Ihre Auskunftsfreude und wünschen Ihnen noch einen super-schönen Tag!
Polizist (breit grinsend): Ja das wünsche ich Ihnen auch und eine gute Heimreise!