Zurück zu alten Wurzeln

Ein Zeitreise-Bericht der Klasse FE 20a des BSZ Grimma vom 4. bis 5. Juli 2022


Wir schreiben das Jahr 2045

Die Schere zwischen Arm und Reich ist im Jahr 2045 so groß geworden, dass eine Mauer die Wohngebiete der armen und reichen Menschen trennt. Während auf Seite der Armen vor allem triste und steppenartige Landschaften das Bild bestimmen, durch die sich die Menschen meist auf Fahrrädern bewegen, ist die Seite der Reichen von saftigen grünen Wiesen und Wäldern durchzogen und die Menschen nutzen neuartige Hoverboards als Fortbewegungsmittel ihrer Wahl. Die Armen kaufen in Discount-Supermärkten ein, die Reichen betreiben Onlineshopping und lassen sich ihre Einkäufe von den Armen nach Hause liefern, die sie für diese und andere einfache Tätigkeiten angestellt haben. Auch die Krankenversorgung ist auf der reichen Seite deutlich besser: Zahlreiche gut ausgestattete Krankenhäuser mit genügend Ärzten versorgen die Menschen, während die Kliniken auf der armen Seite unter Personal- und Geldmangel leiden.

Auch in gesellschaftlicher Hinsicht sind gravierende Unterschiede zwischen der armen und der reichen Seite festzustellen: Die wohlhabenden Menschen leben eher individuell vor sich hin und versuchen, ein für sich persönlich maximales Wohlergehen zu erreichen. Als neuster Trend hat sich dabei durchgesetzt, dass reiche Menschen ihre Kinder genetisch verbessern und attraktiver, stärker und intelligenter machen, was die soziale Ungleichheit nur noch verstärkt. Auf der Seite der Armen hingegen spielen Gruppen eine viel wichtigere Rolle. Oft rotten sich arbeitslose oder bettelnde Menschen auf der Straße zusammen, was vereinzelt auch in Protesten und Querdenker-Demonstrationen gegen die herrschenden Reichen und ihre Politik mündet.

Die Regierung nämlich wird vollkommen von der reichen Elite besetzt, die Armen haben nahezu keine Mitsprache. Zwar existieren noch demokratische Wahlen, doch die Reichen lassen Proteste oder politische Bewegungen der Armen mit Hilfe von Drohnen und Robotern überwachen und oftmals schon im Keim unterdrücken. Zusätzlich werden arme Menschen durch geschickte Ablenkungsstrategien wie beispielsweise Volksfeste, an denen kostenlos Getränke und Speisen verteilt oder Gewinnspiele abgehalten werden, am Wahltag vom Wählen abgehalten. So herrscht zwar unter den Armen große Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik, die sich jedoch nie in den Wahlergebnissen niederschlägt. Die politischen Verhältnisse verändern sich demzufolge kaum.



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Happy Wish Clinic

 Handelnde Personen:  

  • Herr Meier  
  • Frau Meier  
  • Dr. Sommer  

Herr und Frau Meier, Akademiker und beide im fortgeschrittenen Alter, spazieren über eine grüne Promenade in einem Wohnviertel für Wohlhabende.

Herr Meier: Meine Liebe, für deinen 50. Geburtstag habe ich mir etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Wir gehen in die Happy Wish Clinic! Ich habe einen Termin bekommen!

Frau Meier: Wirklich?! Ich kann es nicht glauben! Das ist so toll!

Herr Meier: Wir können direkt jetzt hin. Komm, lass uns gehen!

Frau Meier: Ja, bitte! Mein Gott, das ist so schön!

Beide steigen auf ihre Hoverboards und schweben die Promenade entlang. Nach kurzer Zeit erreichen sie die Happy Wish Clinic. In der Klinik angekommen erwartet sie bereits Dr. Sommer.

Dr. Sommer: Einen schönen Guten Tag, Herr und Frau Meier! Schön, dass sie es zu uns geschafft haben.

Frau Meier: Guten Tag, die Freude ist ganz unsererseits!

Dr. Sommer: Sie sind hier, um endlich ein Baby zu bekommen, nicht wahr?

Herr Meier: So ist es.

Dr. Sommer: Dann schauen wir doch gleich mal in unseren Katalog, um sicherzugehen, dass sie auch genau das Baby bekommen, das sie haben wollen. Fangen wir an mit dem Geschlecht: Männlich? Weiblich? Oder wollen Sie sich überraschen lassen?

Frau Meier: Wir nehmen das Überraschungspaket, oder?

Herr Meier: Finde ich auch.

Dr. Sommer: Aber natürlich.

Frau Dr. Sommer schaut kurz auf ihr Display und murmelt leise zu sich: „Hm, laut Regierungsanforderungen werden zurzeit vor allem männliche Babys benötigt. Dann wird es wohl ein Junge werden…“ Sie schaut wieder von ihrem Computer zu den Meiers auf.

Dr. Sommer: Was haben Sie sich denn bei der Augenfarbe vorgestellt?

Frau Meier: Braun!

Herr Meier: Ja, braun ist gut.

Dr. Sommer: Trage ich so ein. Haarfarbe?

Herr Meier: Auch braun.

Frau Meier: Genau.

Dr. Sommer: Sie sind sich wirklich schnell einig, wunderbar! Nun zur Hautfarbe: Wir haben alles von sehr hell bis sehr dunkel.

Frau Meier: Ich glaube, da nehmen wir sehr hell.

Herr Meier: Aber dann sieht unser Kind doch genau so aus wie alle anderen Kindern.

Frau Meier: Ja, und das ist auch gut so. Es muss ja ins System passen.

Herr Meier: Bist du dir ganz sicher?

Frau Meier: Absolut.

Herr Meier: Dann nehmen wir ganz hell.

Dr. Sommer: Gut, trage ich so ein. Zur Körpergröße: Die Regierung erlaubt eine Größe zwischen 1,60 und 1,80 Meter. Was wäre Ihnen da am liebsten?

Frau Meier: Hmm, 1,80 Meter?

Herr Meier: Aber wenn es ein Mädchen wird?

Dr. Sommer: Also ich kann Ihnen die gängige Größe von 1,75 Meter empfehlen, das nehmen hier die meisten.

Herr Meier: Das klingt super.

Frau Meier: Okay, das nehmen wir auch.

Dr. Sommer: Wunderbar. Dann bräuchte ich bitte einmal Ihren IQ.

Herr Meier: Natürlich, einen Moment.

Herr und Frau Meier führen mit ihren Smartphones einen Scan ihres Kopfes durch.

Herr Meier: 139 bei mir.

Frau Meier: Und 140 bei mir.

Dr. Sommer: Perfekt. Dann würde ich für ihr Kind ein IQ von 140 vorschlagen.

Frau Meier: Ja, sehr gut!

Dr. Sommer: Sind sie bis hier hin zufrieden?

Herr Meier: Ja, ganz außerordentlich zufrieden.

Dr. Sommer: Das freut mich. Entscheiden müssten Sie auch noch, welche besonderen Fähigkeiten Ihr Kind haben soll. Von Seiten der Regierung gibt es hier keine besonderen Vorgaben.

Herr Meier: Also ich als Dirigent eines angesehenen Orchesters möchte schon, dass das Kind ein bisschen musisch ist.

Dr. Sommer: Musisch, natürlich. Ist so vermerkt.

Frau Meier: Aber sportlich sollte es auch sein.

Dr. Sommer: Sportlich, aber gern. Dann habe ich jetzt alles eingetragen. Noch ein paar Worte zu unserem Gesamtpaket, das wir anbieten: Die Kinder sind generell sehr anpassungsfähig und stellen sich im Grunde nie gegen das System. Außerdem sind sie pflegeleicht und ruhig und die elitäre Laufbahn liegt ihnen sowieso in den Genen.

Frau Meier: Das klingt alles sehr gut.

Herr Meier: Genau so haben wir uns das vorgestellt.

Dr. Sommer: Perfekt, Herr und Frau Meier, dann wären wir am Ende angelangt. Lassen Sie uns gleich einen Termin in ungefähr drei Monaten vereinbaren, an dem Sie ihr Kind abholen können.

Herr Meier: Montag, der 3. Oktober, wäre gut.

Dr. Sommer: Wunderbar, dann trage ich Montag, den 3. Oktober ein. Sagen wir, 9 Uhr?

Frau Meier: Ja, 9 Uhr ist gut.

Dr. Sommer: Perfekt, dann sehen wir uns in drei Monaten. Freuen Sie sich darauf, ab dann zu dritt zu sein!


2. Akt: Im Wohnzimmer

 Handelnde Personen:  

  • Rudi (Opa)  
  • Irmgard (Oma)  
  • Jasmin (Enkelin)  
  • Künstliche Intelligenz (KI)  

Es ist am Morgen, Jasmin liegt noch im Bett, als sie von ihrer persönlichen KI geweckt wird.

KI: Guten Morgen Jasmin, hast du gut geschlafen?

Jasmin: Ja, ach… ich will erstmal duschen.

KI: Natürlich. Duschvorgang wird aktiviert.

Jasmin steigt in die Dusche, die automatisch aktiviert wird.

KI: Trockenvorgang aktiviert.

Jasmin wird von mehreren Föhnen blitzschnell getrocknet.

KI: Jasmin, im Schlafzimmer liegt deine Kleidung für den heutigen Tag bereit. Du triffst heute deine Großeltern.

Jasmin: Ach stimmt, heute ist ja Weihnachten… Aber meine Großeltern leben auf der anderen Seite der Mauer, da komme ich nicht so einfach hin. Zum Glück gibt es Hologramme, sodass ich sie auch so treffen kann.

Jasmin steigt auf das Hologrammfeld in ihrem Wohnzimmer und wird sofort als Hologramm ins Haus ihrer Großeltern projiziert.

Rudi: Irmgard, schau mal, wer da ist!

Irmgard: Mensch, unsere Jasmin! Hallo meine liebe Enkelin, wie schön, dich zu sehen!

Jasmin: Hallo Oma, hallo Opa.

Rudi: Wir haben uns ja so lang nicht gesehen! Wie geht es dir?

Jasmin: Mir geht es prima. Aber wie geht es euch?

Irmgard: Uns geht es ehrlich gesagt nicht so gut. Mein Zittern hier wird immer schlimmer.

Rudi: Ach komm, hör doch auf damit, nicht heute. Uns geht es gar nicht so schlecht, liebe Jasmin. Vor allem jetzt, wo du da bist!

Jasmin: Einen schön gedeckten Tisch habt ihr.

Rudi: Ja, das ist unser Hühnchen, das wir das ganze Jahr gefüttert haben. Heute ist’s unser Festbraten! Hier, ich schneide dir ein Stück ab.

Irmgard: Mensch Rudi, sie kann es doch nichts essen oder mitnehmen! Sie ist doch nicht wirklich hier.

Rudi: Ach ja, stimmt, das vergesse ich immer so schnell bei diesen modernen Hologrammen…

Jasmin: Aber jetzt sagt mir doch mal: Warum ist das alles so, wie es ist? Ich meine die Mauer.

Rudi: Ach Jasmin, das ist eine lange Geschichte. Also, pass auf: Als deine Mutter jünger war, hat sie deinen Vater geheiratet, und der war nun mal reich. Das war damals kein großes Problem. Aber als ein paar Jahre später die neue Regierung an die Macht kam, hieß es auf einmal: „Wir müssen uns von den ganzen Armen trennen!“ Und dann haben sie die Mauer hochgezogen.

Irmgard: Und wir mit unserem Hof hier, wie hätten wir denn alles zurücklassen sollen? Wir müssen die Ernte einfahren und die Tiere versorgen. Wir können nicht auf die Seite der Reichen, selbst, wenn wir genug Geld hätten. Aber magst du denn nicht zu uns kommen?

Jasmin: Aber ich habe es so schön hier drüben! Könnt ihr nicht zu uns kommen?

Rudi: Deine Oma hat es doch schon gesagt: Wir haben doch unser Leben hier und den Hof und die ganzen Tiere. Das können wir doch nicht einfach zurücklassen, selbst wenn uns die Regierung auf die andere Seite der Mauer lassen würde. Uns geht es doch gut hier.

Jasmin: Na gut, verstehe. Trotzdem schade, ich würde euch gern öfter sehen und auch mal in echt. Naja, es war wie immer sehr schön, jetzt muss ich los.

Irmgard: Mach’s gut meine liebe Enkelin!

Rudi: Tschüss Jasmin, ein schönes Weihnachtsfest dir noch!


3. Akt: Marktplatz auf der armen Seite

 Handelnde Personen:

  • Passantin  
  • Passant  
  • Demonstrant  
  • Regierungsvertreter  
  • Regierungsvertreterin  

Zwei Passanten laufen eine Straße in einem armen Wohnviertel entlang und unterhalten sich.

Passantin: Drüben ist alles besser, sagt man. Die haben von allem viel mehr.

Passant: Ja, da hast du recht. Schau mal, da drüben!

Der Passant zeigt auf einen der Stände am nahen Marktplatz. Dort haben sich einige Menschen zusammengefunden, die scheinbar gegen etwas protestieren.

Demonstrant: Die Regierung hört uns ab! Die Drohnen, die Roboter, sie dienen nur dazu, uns Arme zu unterdrücken! Wir müssen eine eigene Partei gründen, die sich für unsere Interessen einsetzt! Ich werde mich zur Wahl stellen und diese Reichen auf der anderen Seite der Mauer werden sehen, was sie davon haben, uns zu unterdrücken!

Passantin: Ja, so ist es! Wir brauchen unsere eigenen Parteien, unsere eigenen Politiker!

Passant: Jawoll!

Während sich immer mehr Menschen auf dem Marktplatz versammeln, schneidet eine Drohne der Regierung den Protest mit. In einem Hauptquartier der Regierung auf der anderen Seite der Mauer sehen zwei hohe Vertreter der Regierung die Aufzeichnung.

Regierungsvertreter: Ah ja, jetzt fangen die Armen also doch an, sich zu organisieren. Eigentlich war das nur eine Frage der Zeit. Die Wahl, die bald angesetzt ist, können wir jetzt kaum absagen, das würde selbst auf unserer Seite unangenehme Fragen aufkommen lassen.

Regierungsvertreterin: Stimmt. Aber wie wäre es damit: Am Tag der Wahl veranstalten wir ein schönes kleines Volksfest auf der anderen Seite. Und geben den Armen für einen Tag lang all das, was sie sonst nur aus Erzählungen kennen: Teures Essen, kostenlose Getränke, Kinderprogramm, ein Gewinnspiel für die neusten Smartphones. Ich sage dir, keiner wird an diesem Tag zur Wahl gehen!

Regierungsvertreter: Das ist genial! Lass uns alles Nötige in die Wege leiten.

Zwei Wochen später ist Wahltag. Auf dem Marktplatz im Armenviertel findet zeitgleich ein riesiges Volksfest statt, das zahlreiche arme Menschen anzieht.

Demonstrant: Mitbürger! Es ist Wahltag! Nutzt euer Recht und gebt eure Stimme ab! Ich stelle mich zur Wahl und werde alles dafür tun, dass wir Arme Menschen in Zukunft mehr gehört werden!

Passant: Ach, diese verdammte Wahl! Es ändert sich doch ohnehin nichts! Wir gehen zum Volksfest, da gibt es kostenloses Essen, kostenlose Getränke und man kann alle möglichen modernen Geräte bei einem Gewinnspiel gewinnen.

Demonstrant: Aber das ist doch nur Ablenkung! Morgen wird alles wieder vorbei sein und wir leben das gleiche miese Leben wie seit Jahren! Geht zur Wahl!

Die Drohnen der Regierung zeichnen auch dieses Gespräch auf und übertragen es in das Hauptquartier der Regierung.

Regierungsvertreter: Du hattest Recht! Es funktioniert perfekt. Kaum einer der Armen geht zur Wahl, alle sind beim Volksfest.

Regierungsvertreterin: Siehst du! Diese Wahl wird ein reines Kinderspiel. Die ersten Hochrechnungen zeigen über zwei Drittel der Stimmen für die Regierung. Diese paar Möchtegern-Revolutionäre der Armen werden schon morgen wieder vergessen sein.

Regierungsvertreter: Ganz sicher. Gut gemacht, Kollegin. Machen wir die Übertragung aus und gehen etwas Essen. Das haben wir uns verdient.


Redaktion: km