Ein Zeitreise-Bericht einer 11. Klasse des Gymnasiums Luisenstift Radebeul vom 30. Juni bis 1. Juli 2022
Wir schreiben das Jahr 2045
Wir sind gerade in der Deutschen Bundesrepublik Zialna (DBRZ) gelandet. Es ist alles ganz anders als im Jahr 2022. Die Menschen haben ein großes Vertrauen in die Regierung und die Schere zwischen Arm und Reich ist nahezu geschlossen. Nach Jahrzehnten der Klimakrise, Rezession und allgemeinen Depression kam es 2030 zu einem Aufstand der Bürgerbewegung „Zialna“. Die Regierung wurde abgesetzt und durch Bürgerräte der Übergang zu einer direkten Demokratie beschlossen.
Es existiert zwar weiterhin ein Parlament, doch gehören diesem neben Berufspolitikern regelmäßig wechselnde Vertreter aller Berufsgruppen an. Auch steht ein breites, ja buntes Spektrum neuer Parteien zur Wahl. Und nicht zuletzt sind die Möglichkeiten zur Mitbestimmung für alle Bürger viel größer. Durch ein einjähriges politisches Pflichtpraktikum, das schulbegleitend oder nach Abschluss der Schule im Alter von 15 bis 20 Jahren absolviert werden kann, gewinnen die Menschen frühzeitig einen Bezug zur Politik. Außerdem haben sie das Recht aktiv mitzubestimmen, z.B. über die Verwendung eines Anteils von 25 % aller Steuergelder. Auch ist das politische Agieren der gewählten Bürgervertreter sehr transparent, da alle Debatten und Entscheidungen lückenlos über sämtliche Medien und technischen Endgeräte kommuniziert werden. Erstaunlicherweise gibt es auch keine Verschwörungstheorien mehr. Durch den sogenannten „Malale-Faktencheck“ kann in kürzester Zeit überprüft werden, ob es sich bei Informationen im Internet um Einzelmeinungen oder um echte Fakten handelt.
Als wir durch ein Industriegebiet liefen, sahen wir riesige Wassertürme. Uns wurde erklärt, dass dies modernste Anlagen zur Wassergewinnung und Wasseraufbereitung seien. Alle Betriebe und Firmen würden auf Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit setzen, besonders der Alurt-Konzern, der allerdings ein Monopol in vielen Lebensbereichen besitze.
Generell leben die Menschen sehr umweltbewusst. Die Kinder besuchen alle öffentliche Schulen. Es gibt nur geringe Bildungsunterschiede aufgrund individueller Fähigkeiten und ein breitgefächertes, kostenloses Bildungsangebot zur Förderung persönlicher Neigungen. Nicht wenige Menschen leben in gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder in Patchwork-Familien. Androiden helfen z.B. bei der Hausarbeit oder bei Einkäufen. Neben sogenannten „Haushaltsbuddys“ gibt es auch Haustiere, die eigentlich Roboter sind.
Morgen werden wir bestimmt weitere Innovationen entdecken und vielleicht sogar die Bundeskanzlerin Alma Malezi kennenlernen!
Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…
1. Akt: Die junge Familie
Mandy und Miranda sind ein Paar und haben ein gemeinsames Baby namens Chanti. Heute entspannen sie sich, wie so oft, während ein menschenähnlicher Roboter das Baby umsorgt. Sie warten auf die Oma, Mandys Mutter, und decken derweil den Kaffeetisch.
Miranda (gut gelaunt): Ach, heute ist so schönes Wetter! Schatz, willst du schon mal ’n Käffchen?
Mandy: Gern!
Miranda schenkt ihrer Frau Kaffee ein.
Mandy (schlürfend): Ach, das Leben ist so schön! Keine Probleme mit unserer Kleinen!
Miranda: Ja, wir können einfach chillen.
Es klopft.
Mandy (fröhlich):Das wird meine Mutter sein!
Sie geht zur Tür und macht auf.
Mandy (der Mutter auf die Wange küssend): Hallo Mama!
Die Oma tritt ein. Sie ist nicht mehr so gut zu Fuß und überhaupt fehlen ihr die Kräfte.
Oma: Hallolo, Kinners, ich muss mich erst mal setzen. (Sie nimmtam Kaffeetisch Platz.) Ich schaff es einfach nicht mehr.
Miranda: Omi, willst du mal die Chanti nehmen?
Oma: Ja gerne!
Der Roboter kommt aus dem Kinderzimmer, reicht der Oma das Baby und zieht sich ohne etwas zu sagen zurück. Die Oma ist ein wenig verunsichert über den seltsamen Mitbewohner.
Oma (das Baby im Arm knuddelnd): Och, wie süß! Und (zu Miranda und Mandy aufblickend) ihr wirkt so entspannt! Wie schafft ihr das?
Mandy: Na dank unseres kleinen Haushaltsbuddys.
Der Roboter kommt pfeifend aus der Küche und stellt einen Teller voll Kuchen auf den Tisch.
Miranda (sichtlich stolz): Der kümmert sich um den Haushalt und natürlich um unser Baby.
Mandy: Und das Beste – er wurde uns vom Staat gestellt. Er ist also kostenlos. Du weißt doch, seit der Revolution unterstützt uns die Regierung mit allerlei technischen Neuerungen. Wenn du möchtest, können wir für dich einen Antrag stellen, damit du auch so einen Helfer bekommst.
Oma (seufzend): Mensch, das wäre ja wunderbar!
Miranda: Aber jetzt lasst uns endlich Kaffee trinken!
2. Akt: Die Hyperloop-Station
Mandy und Miranda stehen am Ticketautomaten einer Hyperloop-Station. Sie wollen für einen Kurzurlaub ans Mittelmeer fahren. Chanti haben sie in der Obhut ihres Haushaltsbuddys gelassen.
Miranda (in Bermuda-Shorts und Trägerhemd): So, ab in die Sonne!
Mandy (im Strandkleid): Schön, das haben wir uns verdient!
Plötzlich ruft Moris, ein Freund, von hinten aus der Schlange am Ticketautomaten.
Moris: Hallolo, Mädels!
Miranda und Mandy (zum Gruß Moris’ Schuhspitze mit ihren Fußspitzen berührend): Hallödel, Moris! Wie geht’s?
Moris: Supi! Wie ich sehe (auf das regenbogenfarbene Logo auf Mirandas Shirt deutend) habt ihr bei „Alurt“ geshoppt! Ich arbeite seit kurzem bei denen in der Abteilung für Nachhaltigkeit. Wir ihr bestimmt wisst, bereitet Alurt nun das bei der Produktion von Textilien verbrauchte Wasser wieder in Trinkqualität auf.
Miranda: Perfekt! Da fahre ich doch gleich mit einem ruhigen Gewissen in den Urlaub.
Mandy: Willst du nicht mit uns nach Barca an den Strand? Wie sind das ganze Wochenende dort.
Moris: In muss erst zu einer Modemesse nach London. Aber heut Abend loope ich mich zu euch.
Miranda: Cool!
Die Frauen bestellen am Automaten zwei Tickets nach Barcelona und bezahlen mit Bitcoins über ihre Smartwatches.
Mandy und Miranda (im Gehen in Richtung Aufzug zum Hyperloop-Bahnsteig): Moris, na dann bis später! Und God Save King Willy!
Moris (winkend): Yes, stellt schon mal die Sangria kalt!
3. Akt: Die Gartenparty
Wenige Wochen später feiert Moris seinen Geburtstag im Garten. Er hat neben Mandy und Miranda seine neue Freundin Maxi eingeladen. Und mit von der Partie ist auch der 16-jährige Michi, den Moris allein erzieht. Beim Abendessen reden alle ausgelassen über dies und das, bis man auf die heute stattfindende Bundestagswahl zu sprechen kommt.
Miranda: Wart ihr heute eigentlich wählen?
Moris (stolz): Ja, ich war der Erste heut Morgen. Und der Wahlleiter hat mir sogar zum Geburtstag gratuliert.
Maxi (etwas missmutig): Und ich war die Letzte vorhin.
Mandy: Und, Michi, du durftest doch heut mit 16 das erste Mal wählen, oder?
Michi: Ja, ich hab mich so gefreut!
Miranda: Da hat man wirklich das Gefühl, etwas verändern zu können!
Michi: Total super!
Mandy: Und, warst du zufrieden mit dem Wahlangebot?
Michi: Absolut! Aber (verschmitzt lächelnd) meine Wahl verrate ich euch nicht.
Moris: Sohnemann, willst du vielleicht auch einen Schnaps mittrinken?
Michi: Vati, keine Chance!
Alle lachen.
Miranda (die Maxi bereits seit der Schule kennt): Aber Maxi, du siehst irgendwie nicht zufrieden aus. Was ist denn los, warum bist du so traurig?
Maxi (mit gedämpfter Stimme): Nee, ich bin nicht traurig.
Mandy: Ach, es ist doch alles so schön! Ich verstehe nicht, warum man so niedergeschlagen sein kann.
Moris: Ja, Maxilein, es gibt doch keine Probleme! Wir haben alle eine sichere Arbeit und müssen nicht an morgen denken. Prost!
Alle stoßen euphorisch an. Nur Maxi hebt zögerlich ihr Glas.
Maxi: Na ja, wenn man einfach mit materiellem Wohlstand zufrieden ist, kann man glücklich sein. Aber ich persönlich fühle bei all dem Fortschritt in Wirklichkeit nur Monotonie und Gleichgültigkeit.
Michi: In gewisser Weise hat Maxi recht. Irgendwie ist alles zu perfekt und langweilig.
Moris: Aber Moris, stell dir mal vor, uns würde es so gehen wie deinen Großeltern damals vor der Revolution. Die mussten Angst haben, was sie am nächsten Tag erwartet. Ob sie noch einen Job haben, ja eine Wohnung! – So Schluss jetzt mit dieser Depression an meinem Geburtstag! Probiert lieber von dem Scotch, den ich aus England mitgebracht habe! Seit der Unabhängigkeit der Schotten ist der Mangelware.
Wieder klingen die Gläser und kehrt die ausgelassene Stimmung zurück.
Lektorat: sb