Pandyland

Ein Zeitreise-Bericht einer 11. Klasse des Gymnasiums Luisenstift Radebeul vom 30. Juni bis 1. Juli 2022


Wir schreiben das Jahr 2045

Vor fünf Jahren grassierte die sogenannte „Marienkäferpunktepandemie“. Durch das Sekret asiatischer Harlekin-Marienkäfer mit bis zu 19 Punkten, die für das Aussterben des heimischen 7-Punkt-Marienkäferns vor vielen Jahren verantwortlich sind, wurde eine neuartiges, für den Menschen tödliches Virus verbreitet. Die Pandemie führte zu einer dramatischen Wirtschaftskrise sowie zum Verlust des Vertrauens in die Demokratie. Folgen waren der rasante Fall der Aktienkurse, Massenarbeitslosigkeit und die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Alle Versuche, die Wirtschaft und die Demokratie zu retten, scheiterten.

Es musste eine neue Lösung gefunden werden. Findige Forscher entwickelten vor zwei Jahren mit Unterstützung der Politik den perfekten Menschen pANDY. Dieser besitzt durch einen implantierten Chip universelles Wissen und einen ultimativen Verstand. Nichtsdestotrotz verfügt er weiterhin über alle positiven menschlichen Eigenschaften und die Fähigkeit zum menschlichen, also auch emotionalen und sozialen Handeln.

Ziel war es, pANDY an die Regierungsspitze zu bringen und durch seine geniale Politik die Schere zwischen Arm und Reich wieder zu schließen und das Wohl der Bevölkerung zu sichern. In seinem Wahlprogramm versprach pANDY die schlechte wirtschaftliche Situation zu verbessern und den Armen zu helfen, ohne dabei die Reichen zu enteignen. Es sollte Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Und tatsächlich wurde pANDY von der Bevölkerungsmehrheit gewählt, auch wegen eines allgemein sehr großen Vertrauens in Künstliche Intelligenz. Vor allem aber war pANDY für die meisten die letzte Hoffnung.

Kurz nach seinem Machtantritt wurden auch den Bürgern Chips implantiert, deren Fähigkeiten jedoch nicht mit denen des pANDYschen Chips vergleichbar sind. Dennoch werden diese einfachen Chips genutzt, um persönliche Daten zu speichern, Vitalwerte auszulesen und miteinander zu kommunizieren. Einmal am Tag spricht pANDY zu den Menschen über ihren Chip, um Nähe und Sympathie aufzubauen und über die neuesten Dinge zu informieren. Zunehmend wird pANDY so für die Menschen zum existenziellen Bestandteil ihres Lebens. Man verehrt ihn gar wie eine kleine Gottheit und glaubt seinen Versprechungen, obwohl die Gesellschaft immer noch in eine kleine sehr reiche Ober- und eine große sehr arme Unterschicht geteilt ist. Zudem vernichtet die von pANDY gepuschte Digitalisierung und Roboterisierung unzählige Arbeitsplätze und zwingt die Arbeitenden, wenn nicht in die Arbeitslosigkeit, so in den Niedriglohnsektor, in dem sie mit den teureren Maschinen und Robotern konkurrieren.



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Zwei Wohnzimmer

 Handelnde Personen:  

  • Reiches Ehepaar  
  • Armes Paar  
  • pANDY  

Die Ehefrau eines schwerreichen Unternehmers sitzt etwas gelangweilt an einer üppig gedeckten Tafel in ihrer luxuriösen Loftwohnung und empfängt ihren Mann von der Arbeit.

Reiche Frau (mit einem Luftkuss in Richtung Flur): Na, Schatz, wie geht’s dir?

Reicher Mann (seinen Trenchcoat an die Garderobe hängend): Och, mir geht’s super. Und dir?

Reiche Frau: Ja, mir geht’s eigentlich auch ganz gut. Und wie laufen die Geschäfte so?

Reicher Mann (an der Tafel Platz nehmend): Also nach der Wirtschaftskrise, da haben wir ja wirklich viele Verluste gemacht. Aber das Unternehmen steigt jetzt auf jeden Fall wieder auf. Und ich bin im Moment ganz zufrieden.

Reiche Frau: Das ist schön. Aber wie sieht’s eigentlich mit unserem fliegenden Porsche aus?

Reicher Mann: Den habe ich gerade bestellt, der wird übermorgen geliefert.

Reiche Frau (mit einem Stirnrunzeln): Übermorgen? Ist das dein Ernst?

Reicher Mann (ein wenig unsicher, aber zärtlich): Schatz, ich habe wirklich alles gegeben. Aber die Wirtschaftsstrukturen sind einfach noch nicht wieder so hergestellt. Ich hab denen wirklich so viel Geld angeboten, doch die wollten es nicht nehmen. Tut mir echt leid. Aber, Schatz, iss erst mal deinen Hummer!

Reiche Frau (mit Schmollmund den Hummer sezierend): Na gut.

Reicher Mann (seufzend): Guten Appetit! Alles wird gut.

Reiche Frau: Ok.

Zur selben Zeit empfängt in einer Einzimmerwohnung der Unterschicht ein arbeitsloser Mann seine Partnerin, die einer sehr schlecht bezahlten Arbeit als Frisörin nachgeht.

Arme Frau (freudestrahlend eintretend): Süßer, guck mal, was ich uns mitgebracht habe! Zwei Kilo Äpfel.

Armer Mann (erfreut und zugleich besorgt): Oh, hast du dafür deinen ganzen Tagesverdienst ausgegeben?

Arme Frau: Ja, für heute hab ich nichts mehr.

Armer Mann (seine Partnerin küssend): Das ist sehr lieb!

Arme Frau (müde auf einem Stuhl Platz nehmend): Ach früher gab’s noch Pizza.

Armer Mann: Ja vor der Wirtschaftskrise. Ich hab auch so ’nen Bock auf ’ne Pizza!

Arme Frau (traurig): Jetzt gibt’s nur noch Sparessen und kaum Arbeit.

Armer Mann (wütend): Dieser eklige Haferschleim! (seufzend) Aber mit den Äpfeln schmeckt der sicher besser. Und ich denke auch, wenn (plötzlich mit leuchtenden Augen) pANDY hält, was er verspricht, dann wird hoffentlich bald alles besser!

Arme Frau (wieder munter): Bestimmt!

Über ihre Chips empfangen beide Paare, das reiche und das arme, eine Durchsage.

pANDY: Hallo, hier ist pANDY und ich habe euch etwas zu verkünden. Ihr habt mich gewählt und ich werde euch in eine schöne neue Zukunft führen. (hörbar nur für das reiche Ehepaar) Euch werde ich das fliegende Auto persönlich vorbeibringen. (an die Adresse des armen Paars) Und euch werde ich ein besseres Leben mit Nahrung, Wasser und einer schönen Wohnung ermöglichen. (wieder an alle gerichtet) Freut euch auf eine schöne Zukunft mit mir im Pandyland!

Die Angesprochenen strahlen übers ganze Gesicht.

Reiche Frau (hysterisch rufend): pANDY, ich will ein Kind von dir!


2. Akt: Luisas Zimmer

 Handelnde Personen:  

  • Luisa – Tochter  
    des reichen Paares  
  • Zwei Roboter  

In einem der vielen Zimmer des Reichenlofts chillt die 17jährige Tochter mit ihrem Holopad. Über ihren Chip ertönt ein Signal, sie nimmt den Anruf einer Freundin entgegen.

Luisa: Ja, ich komm gleich. Okay? – Bist du schon unten? Ja ich mach mich fertig, entspann dich mal! Ich brauch nicht lange. Zwei Minuten, dann bin ich geschminkt. Okay? Bis gleich! (über ihren Chip hastig die Hausroboter anrufend) Roxy und Susy, kommt mal schnell her! Ganz schnell!

Die zwei Roboter betreten umgehend das Zimmer, in dem Luisa bereits ungeduldig vor ihrem Schminktisch sitzt.

Luisa: Ich hab wirklich nicht viel Zeit, nur zwei Minuten. Okay? Ganz leichtes Programm! Einfach hinten die Haare flechten, ein bisschen Festiger und ein simples Make-up! Okay?

Roxy: Geht klar!

Susy: Roger!

Die Roboter wuseln um Luisa herum. Roxy benutzt einen in ihre linke Hand integrierten Fön, Susy eine Spraydüse in ihrem rechten Zeigefinger.

Roxy (mit starrem Blick auf Luisas Spiegelbild): Sie sehen so schön aus.

Luisa: Danke, aber beeilt euch mal ein bisschen! Ich hab nur noch eine Minute Zeit.

Susy: Fertig, Aufgabe erfüllt!

Luisa (aufspringend): Danke, Leute! (im Rennen die Freundin anfunkend) Okay, Lena, ich komme!


3. Akt: Im Gericht

 Handelnde Personen: 

  • pANDY  
  • pANDYs Berater  
  • Angeklagte  
  • Verteidiger  

In einem prunkvollen Gerichtssaal herrscht Tumult. Auf der Anklagebank sitzt eine junge Frau mit ihrem Verteidiger. Auf dem Richterstuhl thront mit erhobenem Haupt pANDY. Ein Berater mit nicht ganz menschlichen Zügen steht ihm zur Seite.

pANDY: Willkommen zur Gerichtsverhandlung! Nehmen Sie bitte Platz! (Alle setzen sich.) Kommen wir also zur Anklage. Der Angeklagten wird vorgeworfen, meine Persönlichkeit verleumdet zu haben. Sie behauptet, dass ich die Weltherrschaft an mich reißen wolle. Diesen Fall wollen wir nun klären. Was sagt die Angeklagte dazu?

Verteidiger: Meine Mandantin verweigert die Aussage.

pANDY: Okay, dann bitte ich darum, mit dem Lügendetektor zu überprüfen, was die Angeklagte fühlt und denkt.

pANDYs Berater, ein Roboter mit künstlicher Intelligenz, scannt mit seinen Augen- und Handsensoren sämtliche sichtbaren und unsichtbaren, vegetativen Körpermerkmale der Angeklagten.

pANDYs Berater: (mit einer blechernen Computerstimme): Die Daten sagen, die Angeklagte ist schuldig.

pANDY (zufrieden): Schuldig! – Und was wäre die angemessene Strafe?

pANDYs Berater: Elf Monate Haft.

pANDY (nüchtern): Elf Monate. Kommen wir also zur Urteilsverkündung. Stehen Sie bitte auf! (Alle erheben sich tuschelnd, pANDY klopft mit dem Gerichtshammer, um für Ruhe zu sorgen.) Die Angeklagte wird schuldig gesprochen. Sie bekommt jedoch nur 40 Sozialstunden, die sie ableisten muss. (selbstzufrieden grinsend) Ich wünsche allen einen schönen Tag im Pandyland!

Angeklagte (erleichtert seufzend und lächelnd): Danke, pANDY!

Die Gerichtsbesucher verlassen fröhlich den Saal.


Lektorat: sb