Geimpftes Glück

Dieser Zeitreise-Bericht entstand in einem Workshop mit zwei Geschichts-Leistungskursen der 11. und 12. Klasse des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums Zwickau vom 10. bis 11. Oktober 2022


Wir schreiben das Jahr 2045

„Wir sind alle gesund und glücklich“ lautet das Motto der diesjährigen Wahlkampagne. Bei den morgigen Wahlen ist die gesamte Bevölkerung aufgerufen mit abzustimmen. Auch wenn es große Unterschiede im Einkommen und Wohlstand zwischen den Bevölkerungsgruppen gibt, finden keine Protestaktionen oder Demos statt. Hat diese vorherrschende Grundzufriedenheit etwa mit dem hohen Gesundheitsstandard unter den Menschen zu tun? Oder steckt mehr dahinter?

Es gibt allerdings auch Menschen, die außerhalb dieses Systems existieren. Sie nennen sich die „Erleuchteten“ und möchten mit dem Gesundheitssystem nichts zu tun haben, da sie befürchten, dass mit dessen Hilfe eine Art Gedankenkontrolle eingeführt wurde. Was früher eine Verschwörungstheorie war, könnte nun bitterer Ernst sein. Die Rede von einer „Zwangsimpfung“ macht die Runde.



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Auf der Straße, vor der Arztpraxis

 Handelnde Personen:  

  • Fabian (Arzt)  
  • Till (möchte nicht geimpft werden)  
  • Pia (Krankenschwester)  

Wir folgen dem jungen Till auf der Straße, um einen Einblick in seinen Lebensalltag zu bekommen. Till trifft auf der Straße vor einer Arztpraxis auf den Arzt Fabian, der Till auffordert seine Gesundheitspapiere vorzuzeigen.

Fabian (prüft die Papiere von Till): So, ich sehe hier gerade, Sie haben einen Ungeimpftenausweis. Na, das sollten wir doch möglichst schnell mal ändern.

Der Arzt packt Till am Arm, Till versucht sich loszureißen, der Arzt hält ihn allerdings zu fest.

Till (empört): Was? Nein! Was haben Sie mit mir vor? Mich kriegen Sie nicht!

Fabian (wohlwollend): Na, ich rette Sie.

Till (ruft panisch): Nein! Ich bin erleuchtet.

Der Arzt führt Till unter Kraftanstrengung in die angrenzende Arztpraxis. Er bugsiert ihn über die Türschwelle in das Behandlungszimmer.

Fabian (zur Krankenschwester Pia gewandt): Sehen Sie, ich habe hier noch so Einen.

Die Krankenschwester beginnt sofort mit der Vorbereitung einer Injektionsnadel.

Till (wehrt sich): Ich möchte das nicht!

Fabian (drückt Till auf einen Stuhl und nimmt die vorbereitete Injektion entgegen): Setzen Sie sich bitte hin.

Till (deutet panisch auf die Spritze): Was ist das?

Fabian (freundlich): Sie werden jetzt geimpft.

Till (panisch): Aber warum denn? Ich bin doch gesund, ich bin erleuchtet. Was ist da drin?

Fabian lächelt nur still, hält Till fest und drückt ihm die Spritze in den Arm. Tills Gesichtsausdruck ändert sich von entsetzt zu zufrieden und ruhig.

Welches Mittel wurde Till hier gespritzt? Und kann diese Spritze vielleicht die allgemeine Zufriedenheit der Bevölkerung erklären?


2. Akt: Am Frühstückstisch

 Handelnde Personen:  

  • Mirko (Vater)  
  • Till (Sohn)  
  • Zoe (Tills Freundin)  

Am nächsten Morgen kommt Till zuhause in die Küche und tritt auf seinen Vater am Frühstückstisch…

Till (kommt ins Zimmer und setzt sich an den Frühstückstisch): Guten Morgen, Papa.

Mirko (schaut von seiner Zeitung auf): Morgen Till. Wie geht’s dir denn?

Till (gut gelaunt): Nach der Impfung gestern geht’s mir schon viel besser.

Mirko (brummt zustimmend): Ja, das glaub ich. Und du läufst bitte nie wieder weg. Sonst hast du Hausarrest. Und, wie läuft es im Moment in der Schule?

Till (räuspert sich): Sehr gut. Nächste Woche schreibe ich noch eine Arbeit im LK.

Mirko (streng): Gib dir immer schön Mühe.

Till (nickt eifrig): Ja, das mache ich.

Zoe (kommt rein und wendet sich an Till): Guten Morgen. Hast du Hunger?

Till (reibt sich den Bauch): Ja, hab ich.

Mirko (empört): Sag mal, was ist denn mit euch los bitte? Es gibt nur einmal am Tag essen! Wie oft wollt ihr das noch hören? Ihr solltet dankbar sein, dass ihr überhaupt etwas zu essen bekommt.

Till (mit gesenktem Kopf): Ja, du hast schon Recht. Wir sollten dankbar sein für das, was wir haben.

Mirko (energisch): Dankt unserer Regierung. Apropos! Wir müssen bald wählen gehen.

Zoe (zustimmend): Ja, stimmt. Morgen!

Till: Ist das schon morgen?

Wie gut, dass es Till an diesem Morgen schon wieder besser geht. Gesund scheint er weiterhin zu sein. Seit heute zeigt er auch Dankbarkeit für die amtierende Regierung. Dann kann ja bei den anstehenden Wahlen nichts mehr schief gehen… oder?


3. Akt: Bei der Wahl

 Handelnde Personen:

  • Mirko (Vater)  
  • Till (Sohn)  
  • Zoe (Tills Freundin)  

Mirko, Till und Zoe gehen zur Wahl. Es gibt keine Wahlkabine, sie setzen sich einfach an einen Tisch und kreuzen dort ihre Stimmzettel an.

Mirko (zu Till): Na, Sohnemann, weißt du denn, wen du wählst?

Till: Natürlich, die PGP. Die einzig wahre Partei. Bis gestern wollte ich irgendwie etwas anderes wählen, aber jetzt weiß ich gar nicht mehr, warum eigentlich.

Zoe (nickt zustimmend): Na klar, die Pill Gates-Partei, der verdanken wir so viel.

Mirko: Dann sind wir uns ja einig.

Mirko schaut zu, wie Till und Zoe ihre Kreuze machen.

Mirko (zufrieden): Sehr schön. Ach, ich bin so froh, dass unsere Regierung sich so gut um uns kümmert. Ich hoffe, es gibt nie wieder einen Regierungswechsel.

Till und Zoe nicken zustimmend.

Alle drei werfen ihre nicht zusammengefalteten Stimmzettel in die Gläserne Wahlurne. Alle können und sollen sehen, wen die drei gewählt haben.