Richtige Probleme

Dieser Zeitreise-Bericht entstand in einem Workshop mit zwei Geschichts-Leistungskursen der 11. und 12. Klasse des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums Zwickau vom 10. bis 11. Oktober 2022.


Wir schreiben das Jahr 2045

Die Menschheit ist aufgebracht: Der Klimawandel hat immer größere und spürbarere Folgen. Die Regierung Deutschlands leugnet dieses aktuell größte Problem jedoch. Klimademonstranten werden als Staatsgegner dargestellt und der Klimawandel wird als Verschwörungstheorie abgetan. Demonstrations- und Meinungsfreiheit der Bürger werden stark eingeschränkt. Auch deshalb ist die Cyberkriminalität hoch: Hacker nutzen elektronische Werbetafeln in den Städten für ihre Botschaften.

Doch trotz der Unzufriedenheit mit der regierenden AISP (Alles Ist Super Partei) ist der allgemeine Lebensstandard hoch. Eine Schere zwischen Arm und Reich ist kaum noch spürbar. Die Infrastruktur wurde stark ausgebaut und der ÖPNV ist endlich wieder bezahlbar (der Döner auch). Autos, Züge und Busse fahren mittlerweile elektrisch und autonom.

Die Regierung sagt, dass es eigentlich keinen Grund mehr gibt, sich zu beschweren. Doch werden wirklich die „Richtigen Probleme“ angegangen?



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: In der Küche

 Handelnde Personen:  

  • Sybille – ältere Frau  
  • Herbert – ihr Mann  

Ein älteres Paar sitzt am Frühstückstisch und unterhält sich über die politische Situation.

Sybille: Herbert, hast du schon gelesen, was in der neuen Hologrammzeitschrift steht?

Herbert (blickt von seinem Teller auf): Ja klar Sybille, ich hab mir das über die Hörfunktion vorlesen lassen.

Sybille: Ach klar, so machst du das ja immer. Und hast du auch das mit den Demonstranten gehört?

Herbert (aufgeregt): Ja natürlich! (empört) Diese Staatsgegner wollen mit ihren vorgetäuschten Problemen unsere Partei stürzen. Und uns unser gemeinsames, friedvolles Miteinander verderben.

Sybille (nickt zustimmend): Die wissen doch gar nicht mehr, was richtige Probleme sind. Die haben doch heute ihren bezahlbaren Döner und die günstigen Öffis. Wenn die die Deutsche Bahn damals erlebt hätten, dann würden die jetzt nicht meckern. (schüttelt den Kopf)

Herbert (nachdenklich): Aber… Man muss ihnen ja in einer Hinsicht Recht geben: Die Politik macht jetzt wirklich nicht so die geilen Dinger. Ich muss einfach sagen: Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Und jetzt bring mir bitte endlich Kaffee!

Nachdem Herbert klar gemacht hat, dass er das Gespräch für beendet hält, geht der Alltag weiter. Sybille bringt ihm Kaffee.


2. Akt: Auf einer Demo

 Handelnde Personen:  

  • Polizist  
  • Demonstrant 1  
  • Demonstrantin 2  
  • Demonstrantin 3  

Zur gleichen Zeit findet an einem völlig anderen Ort eine Demo für den Klimaschutz statt. Drei junge Demonstranten stehen einem Polizisten gegenüber.

Demonstrant 1 (wedelt mit seinem Plakat, auf dem ein Baum abgebildet ist): Die Bäume haben auch Gefühle!

Demonstrantin 2: Bäume sind unsere Freunde! Wir müssen sie retten!

Polizist (unfreundlich): Sie verstoßen gegen Paragraph 4 Absatz 3 der neuen Versammlungsordnung. Verlassen Sie augenblicklich diesen Ort.

Demonstrantin 3 (schreit den Polizisten an): Niemals! Wir wollen hier ein Zeichen für den Klimaschutz setzen!

Demonstrant 1 (wedelt immer aggressiver mit seinem Schild): Genau! Wir kämpfen für unser aller Überleben!

Polizist (warnend): Wir schlagen euch jetzt gleich nieder. (deutet auf seine anrückenden Kollegen)

Demonstrantin 2 (zu ihren Mitdemonstrierenden): Haltet sie auf, diese sogenannten Ordnungshüter!

Die Szene spitzt sich immer mehr zu und scheint bald zu eskalieren.


3. Akt: Auf dem Parteitag der AISP

 Handelnde Personen:

  • Helmut – älterer Politiker  
  • Steffen – jüngerer Politiker  

An einem anderen Ort zum selben Zeitpunkt trifft der Nachwuchspolitiker Steffen auf den alteingesessenen Politiker Helmut.

Steffen (aufgeregt): Helmut, Helmut! Hast du schon gehört?

Helmut (beruhigend): Steffen, immer mit der Ruhe.

Steffen (wild gestikulierend): Diese ollen Demonstranten waren schon wieder auf der Straße.

Helmut: Aaaach, diese Komischen gab’s schon immer. Die werden’s schon merken, denen geht es gut. Uns geht es gut. Wir machen alles gut.

Steffen (zögernd): Aber die Leute… sind doch… unzufrieden! Vielleicht sollten wir mal etwas tun?

Helmut (legt seinen Arm und Steffens Schultern): Steffen, Steffen, Steffen… Diese Bekloppten gab es schon damals in den 20ern. Die haben immer schon irgendetwas von wegen Klimawandel gefaselt. Das legt sich schon wieder. Das kriegen wir hin. Alles wird gut.

Helmut redet weiter beruhigend auf Steffen ein. Dieser stimmt schließlich zu, dass sich die AISP um die „Richtigen Probleme“ kümmert und nicht auf die Abweichler hören sollte.