Rausch des Vergessens

Ein Zeitreise-Bericht der Klasse 10-3 des Christian-Gottfried-Ehrenberg-Gymnasiums in Delitzsch

(Workshop vom 11. bis 12. Mai 2023)

Wir schreiben das Jahr 2045

Die geopolitische Lage unübersichtlich. Wie schon so lange vorhergesehen, hat die Klimakrise das Leben der Menschen unerträglich gemacht. Extreme Hitzewellen folgen auf wochenlange Eiseskälte, unterbrochen von Stürmen und Flutkatastrophen. Viele Lebensräume von Tieren sind bereits zerstört und nur wenige konnten sich anpassen und überleben.

Die Menschen glaubten noch bis vor einem Jahrzehnt an den technischen Fortschritt, der dem Übel ein Ende bereiten würde. Doch die Maßnahmen der nationalen Regierungen wurden zu spät getroffen. Lange konnte man sich nicht einigen, wo Ressourcen gespart werden sollten. Niemand wollte allein die Verantwortung übernehmen und so wurde der Zeitpunkt verpasst, an dem die Erde als menschenfreundlicher Lebensraum erhalten werden konnte.

Die Wissenschaft beschäftigt sich inzwischen mit der Frage, wie das menschliche Leben unter diesen widrigen Bedingungen erträglicher gestaltet werden kann. Und natürlich mit der „Sicherung“ der übrig gebliebenen Ressourcen. Das Ergebnis sind immer neue Waffen zur Verteidigung bestehender und bestehender Eroberung neuer Rohstoffe sowie bewusstseinsverändernde Substanzen für die Bevölkerung, um Depressionen zu bekämpfen und die Sehnsucht nach dem alten Leben zu unterdrücken.


Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Zu Hause am Küchentisch

 Handelnde Personen:  

  • Georg – Sohn  
  • Vater  

Ein Vater und sein Sohn unterhalten sich zuhause am Küchentisch über Drogen. Der Sohn fragt den Vater, was mit den Menschen passiert ist.

Georg (kommt herein): Hallo Papa, kann ich mich zu dir setzen?

Vater (freundlich): Na klar, Georg, komm her.

Georg: Kann ich dir eine Frage stellen?

Vater: Immer doch. Was gibt´s denn?

Georg: Immer wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich draußen so komische Menschen. Ich frage mich – was ist mit ihnen?

Vater: Ach Georg, weißt du, das ist eine lange Geschichte. (macht eine lange Pause und atmet tief durch) Willst du das wirklich alles wissen? Die ganze Wahrheit? Das könnte hart sein. (er schaut ihn prüfend an)

Georg: Ja doch, ich möchte gerne alles wissen. Bitte erzähle es mir.

Vater: Ok, also. (beginnt zögerlich) Die Menschen draußen sind süchtig. Süchtig nach Drogen.

Georg: Was ist das – was sind Drogen?

Vater: Drogen nimmt man, um die Realität zu vergessen. Man fühlt sich besser, aber vergisst auch viel. Du wirst euphorisch, aber vergisst die Realität.

Georg: Aber warum machen die das? Warum nehmen die Menschen Drogen?

Vater: Na, du musst wissen, der Mensch hat den Klimawandel verursacht. Das wissen wir aber schon ganz lange. Seit den 1980ern. Da war dein Opa erst ein Jahr alt.

Georg (verwundert): Oh. Und was macht der Klimawandel?

Vater: Na, der Mensch produziert in Massen CO2. Das macht die Erde sehr viel wärmer. Aber die Menschen haben in der Vergangenheit zu wenig dagegen getan, sie haben nicht rechtzeitig gehandelt.

Georg: Aber was ist CO2?

Vater: Kohlenstoffdioxid. Das verstehst du noch nicht, aber es ist böse.

Georg: Böse. So wie Drogen?

Vater: Genau. Dann kam der Klimawandel und hat sich zugespitzt, doch die Menschen haben weiterhin nichts dagegen unternommen. 2032 war es dann so weit. Ganz viele Menschen waren daraufhin ganz traurig. (betont) Ganz, ganz, ganz traurig. Sie wussten einfach nicht mehr, was sie machen sollen. Mit der Info, dass man höchstens bis 2100 noch leben kann, lebt es sich sehr bedrückend. Viele Menschen sahen keinen anderen Ausweg mehr, als Drogen zu nehmen, um die Realität, die traurige Wahrheit, zu vergessen. Aber Georg, mein Kind, (mit Nachdruck) du musst mir versprechen, dass du selbst niemals Drogen nehmen wirst!

Georg: Das verspreche ich dir, ich werde keine Drogen nehmen.

Vater: Und deshalb kannst du auch nachher nicht rausgehen, um zu spielen. Draußen ist es nicht sicher für dich. Wir wissen nicht, wie die Leute drauf sind.

Georg: Aber ich will doch nur spielen. Was soll ich denn den ganzen Tag machen?

Vater (aufmunternd): Wir können doch drinnen spielen, ein Brettspiel oder so.

Georg: Das macht aber nicht so viel Spaß.

Vater: Ja, das verstehe ich, aber draußen ist es einfach zu gefährlich.

Georg: Oh man. Und kann ich mal wieder zum Friseur gehen? Meine Haare sind ganz schön lang geworden.

Vater (bedrückt): Georg, ich würde dich auch gern mal wieder zum Friseur schicken. Das würde ich mir wünschen, dass wir einfach ein normales Leben haben. Aber unser Geld ist gerade so knapp. Wir können uns gerade mal so etwas zu essen leisten. Die Menschen, die so viele Drogen konsumieren – da ist der Hunger nicht so stark. Aber wir brauchen das Essen – deswegen kannst du nicht so oft zum Friseur gehen. Aber eigentlich sieht es doch auch nicht so schlecht aus.

Georg: Hm, okay. Können wir dann jetzt was essen?

Vater: Ja, worauf hast du denn Lust?

Georg: Na ja, gibt ja eh nur eine Auswahl, oder?

Vater: Stimmt, Brot mit Butter.

Georg: Okay.

Der Vater macht ein besorgtes Gesicht. Wie lange kann es nur so weitergehen? Doch dann muntert ihn Georg mit einem seiner typischen Scherze auf und beide lachen.


2. Akt: Zu Besuch bei Opa Jörg

 Handelnde Personen:  

  • Stefan – Georgs Onkel und Jörgs Sohn  
  • Jörg – Stefans Vater und Georgs Großvater  

Stefan – Georgs Onkel ist seit langem mal wieder bei seinem Vater Jörg. Sie tauschen sich gerne und regelmäßig über die aktuelle politische Lage und derzeit vermehrt über den den Krieg in Brasilien aus, wo Stefan vor kurzem als Soldat im Einsatz war.

Jörg (euphorisch): Hallo Stefan! Mein lieber Sohn! Wie schön, dass du wieder zurück bist.

Stefan (ebenfalls freudig, beide umarmen und begrüßen sich innig): Hallo Vater!

Jörg: Erzähl doch mal, wie war‘s denn so in Brasilien?

Stefan (seufzt): Na ja, es war halt Krieg. Eigentlich waren wir ziemlich erfolgreich. Bis die Drohnen kamen – danach war es echt schrecklich dort.

Jörg: Die Drohnen. Bei uns damals gab es noch gar keine Drohnen. Also zumindest waren sie nicht so gefährlich.

Stefan: Ja, das kannst du dir nicht vorstellen. Wir liegen alle nachts in unseren Betten – und die Bomben fliegen. Viele Leute sind gestorben. Ich hatte Glück, dass ich überlebt habe.

Jörg (erleichtert): Es freut mich, dass du überlebt hast, mein Sohn. (mehr zu sich selbst) Damals war der Krieg anders.

Stefan: Das kann ich mir gut vorstellen.

Jörg: Nach deinen Erzählungen klingt unser Krieg fast noch menschlich.

Stefan: Ja, auf jeden Fall. (gibt sich einen Ruck und blickt Jörg tief in die Augen) Mensch, Vater. Ich freue mich so, wieder hier zu sein.

Jörg (lächelt zurück): Ich freue mich auch, dich wiederzusehen.

Stefan: Auf jeden Fall. Na gut, ich muss wieder zur Kaserne. In einer Woche muss ich schon wieder zurück nach Brasilien.

Jörg: Ach, Mensch, schade. Aber es war schön, dass du mal wieder bei mir vorbeigeschaut hast.

Stefan: Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.

Jörg: Ich auch!

Die beiden umarmen sich innig – länger als sonst. Beide haben danach so ein seltsames Gefühl, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte.


3. Akt: In der Kommandozentrale

 Handelnde Personen:  

  • Kommandant  
  • Stefan – Soldat in Brasilien und Georgs Onkel  

Der Kommandant lässt seine Soldaten antreten.

Kommandant: Hallo Männer. Ich habe euch heute zusammengerufen, weil wir ein großes Problem haben. Eines unserer Schiffe wurde gestohlen. Auf dem Schiff befanden sich alle Utensilien unseres Geheimprojekts “Alpha”.

Stefan (fluchend): Das kann doch nicht wahr sein! So ein Mist! Wissen wir schon, wo es ist?

Kommandant: Wir konnten das Schiff schon mit Drohnen verorten. Wir wissen, wo es ist und wie es befestigt ist. Ich habe euch hier alle Daten mitgebracht. (breitet eine Mappe auf dem Tisch aus) Eure Aufgabe ist es, das Projekt “Alpha” zu sichern und in vollem Bestand zurückzubringen.

Stefan: Haben wir Zugriff auf das ganze Waffenarsenal?

Kommandant: Ihr habt Zugriff zu allem. Ihr bekommt die beste Technik bereitgestellt. Ebenso Unterstützung von den Truppen, die bereits vor Ort sind.

Stefan: Wann geht es los?

Kommandant: Direkt morgen früh.

Stefan (euphorisch): Morgen früh, alles klar. Morgen früh nach Brasilien. (sich gegenseitig zurufend) Das schaffen wir, Jungs! Das wird schon!

Kommandant: Habt ihr noch irgendwelche Fragen?

Stefan: Nein, es ist alles klar. Wir holen uns das Projekt “Alpha” zurück.

Stefan ist erst voller Tatendrang. Doch am Abend ereilen ihn Selbstzweifel. Wofür macht er das? Wofür der Krieg? Und wollen es die Menschen zu Hause wirklich?

Lektorat: LK