Ein Zeitreise-Bericht der Klasse FE 19a des BSZ Grimma vom 2. bis 3. Juni 2022
Wir schreiben das Jahr 2045
Zentrale Anliegen der Politik sind Reformen in den Bereichen Bildung, Demokratische Teilhabe und Arbeit.
Die Bildung der Zukunft setzt auf Digitalisierung und Homeschooling. Staatlich gefördert wird der Ausbau des Internets sowie die Bereitstellung von digitalen Endgeräten. So arbeiten die Schüler zum größten Teil von zu Hause und nutzen moderne VR-Technik wie z.B. „Apple Glasses for Classes“. Der Einsatz dieser Technologie bedeutet jedoch nicht nur hohe Anschaffungs-, sondern auch Wartungskosten. Der digitale Unterricht wird ergänzt durch das Konzept des „Bewegten und lebensnahen Unterrichts“, das praktische Bezüge zum Alltag der Schüler erlaubt. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass Bewegung das Lernen fördert. Der lebensnahe Unterricht befähigt die Schüler unter anderem, Miet- oder Kaufverträge abzuschließen und die eigene Steuererklärung vorzunehmen. Weitere neue Lehrmethoden ergänzen den völlig überarbeiteten, zeitgemäßen Lehrplan, fordern aber auch von den Lehrkräften, sich ständig fortzubilden und in die neuen Konzepte einzuarbeiten. Ferner existiert ein anderes Bewertungssystem. Bereits für die bloße Teilnahme am Unterricht bekommen die Schüler Credits (Punkte). Für die Mitarbeit gibt es Zusatzpunkte. In die Abschlussnote werden weiter Punkte aus freiwilligen Einzelleitungen hineingerechnet. Alternativ kann eine Abschlussprüfung zu einem selbst gewählten Thema und Zeitpunkt stattfinden, und zwar online, auch um die Prüfungsangst zu reduzieren. Diese sehr freien Regeln untergraben allerdings bei manchen Schülern und auch einigen Lehrern die Motivation.
Für eine Modernisierung der Demokratie wurde die Legislaturperiode auf zwei Jahre verkürzt. Dies soll garantieren, dass frischer Wind in die Politik kommt und wenig erfolgreiche bzw. beliebte Amtsträger schneller abgewählt werden können. Freilich verlangt das von den Bürgern, sich häufiger mit Wahlkandidaten und ihren Programmen auseinanderzusetzen, wodurch jedoch das politische Wissen und Verantwortungsbewusstsein gestärkt wird. Des Weiteren können die Wähler bei der Vorauswahl der Kandidaten für ein Amt neben den Parteien mitbestimmen. Andererseits stellen sich auch sehr viele Leute aus dem Volk selbst zur Wahl. Manche Bürger sind indes von diesen vielen Partizipationsmöglichkeiten überfordert. Und nicht alle der zahlreichen Kandidaten eignen sich wirklich für den Beruf des Politikers. Nicht wenige neigen zudem zu populistischen Versprechungen. Das Wahlprozedere wurde dagegen vereinfacht. Die einstige bürokratische Briefwahl ersetzt nun eine reine Online-Wahl, die wesentlich schneller und kostengünstiger stattfinden kann, jedoch große Anforderungen an den Datenschutz stellt. Hierfür kommen moderne Authentifizierungsverfahren wie ein Iris-Scan durch VR-Brillen zum Einsatz.
Die Arbeitswelt wird bestimmt durch eine große Automatisierung. Viele, darunter besonders schwere oder auch eintönige Tätigkeiten werden mehr und mehr von Robotern übernommen, so z.B. die Brief- und Paketbeförderung durch Drohnen. Zudem spielt das Homeoffice eine sehr große Rolle. Die eingesparten Lohn- und Wegekosten zahlen die Unternehmen in einen staatlichen Fond, welcher der Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens dient. Dieses beträgt monatlich 1.500 Euro für Voll- bzw. 700 Euro (außer Euro gibt es noch zahlreiche Kryptowährungen) für Minderjährige. Auf lange Sicht ist jedoch noch unklar, welche Kosten die Wartung der Roboter verursacht. Nicht zuletzt wurde eine Vier-Tage-Woche realisiert. Das verlängerte Wochenende bedeutet jedoch eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden bei gleichbleibendem Gehalt. Durch technische Erleichterungen, das Homeoffice sowie attraktive Löhne jenseits des Grundeinkommens stellt dies aber für die meisten Arbeitstätigen kein Problem dar.
Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…
1. Akt: Die Party in Prag
Es ist Donnerstagnachmittag, das Wochenende steht vor der Tür. Drei Kumpel haben sich nach der Schule aufgemotzt und treffen sich auf einem Parkplatz für einen Partyabend. Sie begrüßen sich grölend und mit einem Fersencheck, der seit den Corona-Jahren in ist.
Erwin: Hey!
Marvin: Hey, was geht?
Peet: Wo wollen wir hin?
Erwin: Ins Ausland!
Marvin: Nach Prag?
Peet: Cool! Ich ruf mal ’n Taxi mit meinen Glasses.
Marvin: Nimm aber so ’n Ding, das fliegt!
Peet bestellt ein Flugtaxi mit seiner VR-Brille.
Marvin: Und gehen wir raven (falsch wie a ausgesprochen)? Wie unsere Großeltern!
Peet: Das heißt raven (mit ä ausgesprochen)!
Erwin: Ich hab aber keine Kohle mehr!
Peet: Lass, ich zahl! Morgen kommt doch das Grundi (bedingungsloses Grundeinkommen)!
Ein autonom fliegendes Taxi landet auf dem Parkplatz. Peet hält seine Holowatch mit Zahlfunktion an die Taxitür. 120 Cryptocoins werden abgebucht. Die Kumpel steigen ein und fliegen los.
Marvin (grölend und nach unten auf eine Straße voller autonom, aber am Boden fahrender Autos zeigend): Guckt, die Spacken da am Stau!
Peet: Haha, die Unterirdischen!
Erwin: Männers, laut Navi sind wir gleich da!
Marvin: Endlich, 10 Minuten reichen ja auch!
Das Taxi landet direkt vor einer Disco und die Stimme des Bordcomputers vermeldet die Ankunft. Die Kumpel eilen zum Einlass, an dem zwei Roboter-Türsteher die Gäste abkassieren und mit ihren Scan-Augen kontrollieren.
AZ 501: Guten Tag, 2 Cryptocoins pro Person!
Peet (wieder seine Holowatch zeigend): Ich zahl für die zwei hier mit.
AZ 502: Sicherheitscheck!
Peet (ungeduldig): Na los!
AZ 502 (dessen Augenlinsen leuchten): Ok, Sie können rein!
Peer geht durch, während nun Marvin gescannt wird.
AZ 501: Sicherheitscheck! Piep, piep, piep! Warnung, Waffe!
Marvin (ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche ziehend): Oh sorry!
Marvin darf durch, nun ist Erwin an der Reihe.
AZ 502: Sicherheitscheck! Piep, piep, piep!
Erwin: Was is’n jetzt schon wieder los?
AZ 502: Einlass nur mit kurzer Hose!
Erwin: Mann, es ist kalt heute!
Erwins Kumpel müssen lachen.
Peet: Ach, wann hatten wir das letzte Mal Minusgrade?
Marvin: Erwin, zieh die Hose aus! Mit Boxershorts lassen die dich sicher durch!
Erwin zieht ein wenig widerwillig seine Hose aus und wird durchgelassen. Auf dem Dance Floor läuft Speedcore Techno mit bis zu 1.500 Beats pro Minute, die oft nicht hör-, sondern nur als Zittern im Körper vernehmbar sind. Die Tanzfläche ist auffällig leer. Sicherlich tanzen einige Besucher mit virtuellen Tanzpartnern vor ihren VR-Brillen. Die Kumpel gehen raven, mit unsagbar schnellen Tanzbewegungen!
Peet (grölend): I love Berlin!
Erwin: He, wir sind in Prag!
Marvin (nach einigen Minuten schon verschwitzt und außer Atem): Jungs, was wollt ihr trinken?
Peet: Gin Tonic!
Erwin: Einen Cuba Libre!
Marvin (zum Roboter an der Bar): Zwei Gin Tonic und einen Cuba Libre!
Der Roboter mixt in Windeseile die Drinks. Marvin zahlt mit seiner Holowatch. Nach den Drinks kommen die Jungs in Fahrt.
Peet: Ab geht die Session!
Marvin: Gibt’s hier eigentlich auch Frauen?
Erwin: Lass mal Tinder checken!
Marvin (die Tinder-App auf seinen Apple Glasses nutzend): Oh, ich hab ’n Püppchen!
Peet: Hey lass mal sehen!
Marvin öffnet das Profil einer jungen Frau als Hologramm auf seiner Holowatch.
Erwin: Wow!
Peet (abwehrend): Eh, das ist doch meine Schwester!
Marvin: Die war die Einzige in der Nähe!
Nach einer Stunde wilden Tanzens und noch einer Runde Drinks sind die Kumpel müde. Peet, mit sichtlich schlechter Laune, drängt zum Aufbruch.
Peet: Jungs, ich hab ’n Taxi bestellt. Ich muss morgen noch lernen!
Marvin und Erwin lachen.
Marvin: Du und lernen?
2. Akt: Eine Schulstunde
Am Montag ist wieder Schulunterricht.
Erwin (im Auto der Familie, das in der Garage steht): Autopilot, fahr mich zur Schule!
Das straßengebundene Auto fährt Erwin zur Schule. Er betritt das leere Klassenzimmer, kurz nach ihm trifft der Lehrer ein, den alle nur bei seinem Vornamen Isaac nennen.
Lehrer: Guten Morgen, Erwin! Bist du heut alleine hier?
Erwin (gähnend): Ja, Isaac, bin ich! Ich weiß nicht, wo die andern sind.
Lehrer: Nun, die schalten wir dazu.
Erwin: Ich betrete schon mal den VR-Raum!
Lehrer: Ok!
Auch die übrigen Schüler betreten das VR-Klassenzimmer.
Marvin: He Erwin, bist du echt in der Schule!
Erwin: Ja, und ihr?
Marvin: Ich bin zu Hause.
Sibille und Liane: Wir auch.
Erwin: Und du, Peet?
Peet: Ich lieg am Strand und chille.
Der Lehrer checkt die Anwesenheit der Schüler.
Lehrer: Peet, hast du deine Aufgabe gemacht?
Peet: Klar! Hab ich Ihnen doch geschickt.
Lehrer: Warte mal kurz! (konzentriert auf seinen Apple Glasses die Schülerarbeiten checkend) Nee, das ist die Aufgabe von deiner Schwester. Die hast du nicht selber gemacht.
Peet (kleinlaut): Aber die Aufgabe meiner Schwester ist doch gut, oder?
Marvin: Nee, die Schwester ist gut und geil!
Alle lachen.
Lehrer: Also Peet (die Augen zusammenkneifend) Moment mal, ich seh dich gerade verschwommen. – Jetzt ist es wieder besser! Die Bandbreite in der Schule lässt immer noch zu wünschen übrig. Nun, Peet, du könntest einen Vortrag über künstlich erzeugten Regen halten und dabei klären, ob es überhaupt noch natürlichen Regen gibt. Denk dran, du willst doch spätestens in drei Jahren deinen Schulabschluss bekommen!
Peet (locker): Mal sehen!
Lehrer: Also Leute… Oh, ich krieg gerade einen Anruf rein. Ja, das war’s dann auch schon wieder. Meine Frau hat’s Essen fertig. Äh, ich schreib euch einfach über MS Groups.
Der Lehrer verlässt das digitale wie das analoge Klassenzimmer. Der VR-Raum wird geschlossen. Erwin bleibt etwas mürrisch zurück.
3. Akt: Eine Wahlkampfveranstaltung
Vier Jahre später besuchen Sibille und Liane, auch nach dem Schulabschluss immer noch gute Freundinnen, einen Wahlkampfauftritt von zwei jungen Kandidaten auf einer VR-Plattform.
Moderatorin (mit einer Computer-Stimme): Herzlich willkommen, liebe Zuschauer! Zwei parteilose Kandidaten werden nun ihr Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl 2049 vorstellen. Viel Spaß dabei!
Peet: Herzlich willkommen! Mein Name ist Peet Panowski. Ich bewerbe mich für das Amt des Bundeskanzlers. Ich…
Liane: Oh, das ist doch nicht etwa unser Peet!
Sibille: Doch!
Peet: Meine Vision ist es, Natur und Landwirtschaft in Einklang zu bringen. Und ich verspreche Freibier für alle. Ole!
Liane: Sibille, den wählen wie nicht, oder?
Sibille: Nee, keinesfalls!
Erwin: Werter Kollege, vielen Dank für die (mit einem Augenzwinkern) stilvolle Rede! Mein Name ist Erwin Schrittmacher.
Sibille: Och, der Erwin, den fand ich schon immer süß! Lass uns den wählen!
Erwin: Ich kandidiere ebenfalls für das Kanzleramt. Ich möchte das bedingungslose Grundeinkommen verdoppeln auf 3.000 Euro im Monat. Außerdem werde ich die Bildung revolutionieren, indem ich die Schule abschaffe und stattdessen eine Erweiterung der geistigen Kapazitäten junger Menschen durch Genmanipulation fördere. Auch fordere ich eine 2-Tage-Woche, um den Stress abzubauen, den viele Arbeitnehmer von Ihnen ausgesetzt sind. (mit geballter Faust) Vote Erwin for President!
Sibille (begeistert): Liane, den wählen wir?
Liane: Ja, den wählen wir!
Moderatorin: Damit beenden wir unsere Wahlkampfveranstaltung. Sie können online abstimmen, noch bis zum 19. September.
Die Freundinnen geben über Apple Glasses Erwin ihre Stimme und laden auch den ehemaligen Schulkumpel Marvin zur Wahl ein. Dieser schreibt den Frauen zurück.
Marvin: Ich hab auch schon Erwin gewählt und zu einem Votekick gegen Peet aufgerufen. Ich bin immer noch sauer, dass der mich nicht an seine Schwester rangelassen hat.
Lektorat: sb