Ein Zeitreisebericht einer 10. Klasse des eo.plauen in Plauen vom 11. bis 12. Juli 2022
Wir schreiben das Jahr 2045
Zehn Jahre ist es her, als eine globale Wirtschaftskrise die Welt erschüttert hat. Aufgrund von Überalterung und Fachkräftemangel war die Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs geraten und großen Teilen der Bevölkerung drohte die Verarmung. Eingeschüchtert von der Aussicht, jeglichen Wohlstand zu verlieren, stimmten die meisten Menschen für eine neue politische Kraft, die sich am Gipfel der Krise formiert hatte: die Partei „Gleichheit für Alle (GfA)“.
Die GfA übernahm schnell die Macht und stellte alle Menschen auf die gleiche Stufe. Alle bekamen gleiche Rechte, gleiche Löhne und Gehälter, gleiche Häuser, gleiche Bildung und die gleiche Gesundheitsversorgung. Alles wurde von der Regierung vorgegeben, selbst welche Kleidung getragen, welche Nahrungsmittel verzehrt und welche Jobs ausgeübt werden sollen. Wenngleich dadurch beinahe jede soziale Ungleichheit abgeschafft wurde, entwickelte sich Deutschland schnell zur Diktatur.
Zu Beginn waren die Menschen zufrieden mit der Herrschaft der GfA und hatten das Gefühl, jeder arbeite für das gleiche Ziel, nämlich die perfekte Gesellschaft ohne Hunger, Armut oder Unsicherheit. Doch diese Harmonie währte nicht lange. Die GfA begann, die Bevölkerung mittels moderner Überwachungstechnologie wie Drohnen und Chips zu kontrollieren. Jeder Bürger musste sich einen Chip implantieren lassen, der das Bezahlen, die Erfassung der Arbeitszeit oder die Messung von Vitalwerten vornimmt. Inzwischen unterdrückt die GfA in der Bevölkerung jeden noch so kleinen Ausdruck von Individualität, die sie als Vorbote neuer sozialer Ungleichheit und wirtschaftlicher Krisen sieht. Die wachsende Unzufriedenheit der Menschen mit dem autoritären Regierungsstil hat dazu geführt, dass sich im Untergrund eine Revolutionsarmee gebildet hat, die stetig wächst und Pläne für einen Umsturz hegt.
Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…
1. Akt: Auf Arbeit
Zwei Arbeiter treffen sich in ihrer Mittagspause und unterhalten sich.
Arbeiter: Hallo, wie geht es dir?
Arbeiterin: Nicht so gut, leider.
Arbeiter: Wieso, was ist passiert?
Arbeiterin: Eines meiner Kinder ist gestorben…
Arbeiter: Oh nein, das tut mir so leid!
Arbeiterin: Ja, das war diese verdammte GfA! Die Polizei hat meinen Sohn und seine Freunde dabei erwischt, wie sie eine Wand besprüht haben. Mein Sohn ist weggerannt und sie haben sofort auf ihn geschossen… Ich bin am Boden zerstört.
Arbeiter: Das ist ja schrecklich!
Arbeiterin: Ich kann das alles nicht mehr. Ich kann nicht mehr für dieses Regime schuften. Ich will hier nur noch weg. Komm mit mir, wir flüchten!
Arbeiter: Pssst! Das darfst du nicht sagen, die hören doch die ganze Zeit zu!
Sofort ertönt ein Alarmsignal und eine Durchsage ertönt, die alle Arbeiter im Pausenraum ermahnt, ihren Platz nicht zu verlassen. Kurz danach kommen zwei Wachen in den Raum gestürmt.
Wache 1: Arbeiter mit der Kennnummer L23! Sie sind ein Ausbrecher! Sie sind festgenommen wegen umstürzlerischer Bestrebungen!
Arbeiterin: Nein, nein, lassen Sie mich los!
Wache 2: Arbeiter L2! Sie sind einer unserer besten Angestellten. Sie wollen doch sicher, dass es Ihrer Familie gutgeht?
Arbeiter: Aber natürlich.
Wache 2: Sehen Sie, dann bleiben Sie der GfA treu und passen Sie zukünftig besser auf, mit wem Sie sich abgeben. Individualisten und Feinde des Volkes lauern überall!
Arbeiter: Aber natürlich! Ich werde in Zukunft besser Acht geben.
2. Akt: Im Supermarkt
Der Arbeiter, dessen Kollegin kurz zuvor auf Arbeit abgeführt wurde, holt nach Feierabend sein Kind von der Schule ab und beide gehen in den Supermarkt einkaufen.
Kind: Papa, hast du endlich alles, was wir brauchen? Ich will nach Hause.
Arbeiter: Wollen wir das noch mitnehmen? Das magst du doch so gern.
Kind: Ja, okay. Aber dann gehen wir. Ich mag nicht mehr.
Beide gehen mit dem vollen Einkaufskorb zur Kasse.
Kassiererin: Guten Tag!
Arbeiter: Hallo, guten Tag!
Die Kassiererin scannt die Artikel und danach den Chip im Handgelenk des Arbeiters, um den Einkauf zu bezahlen. Auf einmal piept der Scanner laut.
Kassiererin: Ihre Essensration für diese Woche ist schon aufgebraucht, Sie können nicht bezahlen.
Arbeiter: Was?! Das kann nicht sein! Ich muss doch meine Familie ernähren!
Sofort erscheint ein Mann vom Sicherheitspersonal und fängt an, den Arbeiter und sein Kind aus dem Laden zu ziehen.
3. Akt: Zu Hause beim Abendessen
Der Arbeiter ist mit seinem Kind nach Hause gekommen. Zusammen mit seinem zweiten Kind sitzt er niedergeschlagen am Küchentisch und wartet auf das Abendessen.
Mutter: Hier, ich habe euch Abendessen gemacht.
Arbeiter: Das freut uns aber, danke.
Kind 2: Warum denn nur Suppe?!
Arbeiter: Wir haben doch heute nichts beim Einkaufen bekommen.
Kind 1: Warum haben sie uns denn heute im Supermarkt kein Essen gegeben, Papa? Warum machen die Leute sowas?
Arbeiter: Es gab heute auf Arbeit einen kleinen Zwischenfall. Eine meiner Kolleginnen, die ich schon lange kenne, hat gestern ihr Kind verloren. Sie hatte einen Sohn, der von der Polizei dabei erwischt worden ist, wie er auf einer Wand in der Nähe seiner Schule rumgeschmiert hat. Er ist weggelaufen und wurde sofort erschossen!
Meine Kollegin war so traurig, dass sie heute auf Arbeit alles aufgeben wollte! Sie hat davon geredet, dass alles keinen Sinn mehr mache und dass sie am liebsten weit von hier wegrennen möchte. Die Überwachungsdrohnen im Pausenraum haben alles mitgehört und sofort kamen zwei Wachen und haben sie mitgenommen. Mir wurde gesagt, dass ich aufpassen soll, mit wem ich mit abgebe. Ich glaube, als Warnung wurde unsere wöchentliche Essensration gekürzt und deswegen konnten wir im Supermarkt nichts einkaufen.
Mutter: Du musst vorsichtiger sein! Du weißt genau, dass sie unsere Familie bestrafen werden, wenn wir uns gegen die GfA auflehnen.
Arbeiter: Ja, du hast Recht! Ich werde in Zukunft besser aufpassen…
Redaktion: tm